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Archiv-Artikel

Tschüssikowski, Herr Landowsky!

Anklage fordert im Bankenprozess drei Jahre Haft für den Ex-CDU-Strippenzieher. Die Aubis-Kredite seien auch aus politischen Gründen gewährt worden. Landowsky vermutet „späte Rache der Linken“

von ULRICH SCHULTE

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft muss Klaus-Rüdiger Landowsky hinter Gitter. Die Oberstaatsanwältin Vera Junker hat gestern eine Haftstrafe von drei Jahren ohne Bewährung für den ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und Vorstandschef der Berlin Hyp beantragt. Eineinhalb Jahre nach Beginn des bisher wichtigsten Prozesses zum Bankenskandal sieht sie bei Landowsky und zwölf anderen angeklagten Bankmanagern und -aufsichtsratsmitgliedern den Vorwurf der schweren Untreue „in vollem Umfang“ bestätigt.

Die Manager der Berlin Hyp, einer Tochter der Bankgesellschaft Berlin, hatten in den 90ern fragwürdige Kredite in Höhe von 235 Millionen Euro an die Immobilienfirma Aubis vergeben. Die Angeklagten hätten dabei „unvertretbare Risiken“ in Kauf genommen und „gravierend gegen ihre Sorgfaltspflichten“ verstoßen, begründete Junker ihre Forderung in einem sechsstündigen Plädoyer.

Als gewährte Kredite zunehmend problematischer wurden, sei es auch darum gegangen, Fehlentscheidungen zu vertuschen: „Dann ging es weiter nach dem Motto: Augen zu und durch“, so Junker. Die Manager hätten die Kreditentscheidungen auch auf Basis von politischen Wünschen für den Aufbau Ost getroffen, sagte Junker. Erfahrene Banker müssten sich aber auf Zahlen statt auf Hoffnungen stützen.

Die Anklage beantragte auch für die anderen Angeklagten Haftstrafen, meist auf Bewährung. Das frühere Berlin Hyp-Vorstandsmitglied Jürgen Noack will die Staatsanwältin vier Jahre ins Gefängnis schicken. Er sei als „zentrale Figur“ für die Vergabe der Kredite zuständig gewesen. Für die ehemaligen Vorstandschefs der Bankgesellschaft, Wolfgang Steinriede und Wolfgang Rupf, beantragte die Anklage zwei Jahre und neun Monate Haft ohne Bewährung sowie ein Jahr und neun Monate Haft mit Bewährung und 80.000 Euro Geldstrafe. Beide saßen als Aufsichtsräte der Tochterbank in dem Ausschuss, der die hohen Kredite prüfte.

Landowsky verfolgte die Strafforderung mit unbewegter Miene. Während des Plädoyers hatte der ehemalige CDU-Strippenzieher immer wieder den Kopf geschüttelt oder verächtlich abgewinkt. Als er für eine Prozesspause hinausschlenderte, murmelte er vor sich hin: „Das ist die späte Rache der Berliner Linken an der Einheit.“ Sein Anwalt wiederholte diesen Vorwurf später. Er vermute bei der Staatsanwaltschaft eine politische Motivation, so der Jurist. „Dem Land Berlin ist ebenso wenig ein Schaden entstanden wie dem Steuerzahler.“ Er sei überzeugt, dass Landowsky freigesprochen werde.

Aus Sicht der Anklage haben Landowsky und Co vor der Bewilligung der Kredite fahrlässig Bonitätsprüfungen unterlassen, Leerstandsprognosen ignoriert und Verwaltungs- und Instandhaltungskosten schöngerechnet. Auch seien kritische Angestellte unter Druck gesetzt worden, sagte Junker. „Das Muster des Unter-Druck-Setzens von Mitarbeitern scheint in der Berlin Hyp nicht unüblich gewesen zu sein.“ Landowsky persönlich habe kritische Sachbearbeiter von Aubis-Projekten abgezogen, so die Staatsanwältin.

Der Immobilienkonzern Aubis, der von den beiden ehemaligen CDU-Politikern Christian Neuling und Klaus Wienhold geleitet wurde, hatte mit dem geliehenen Geld Plattenbauten in den Ostländern gekauft, saniert und dabei Millionenverluste gemacht. Kurz nach der Kreditvergabe nahm Landowsky eine Spende der Firma an die CDU entgegen, die nicht im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchte. Der Deal löste zusammen mit dubiosen Immobilienfondsgeschäften den Bankenskandal aus, an dem 2001 die Koalition aus CDU und SPD zerbrach.

In dem Prozess im Landgericht werden jetzt die Verteidiger ihr Schlusswort sprechen, Landowskys Anwalt beginnt damit am Freitag. Das Urteil über den Anklagebankchef wird frühestens Ende Januar erwartet.