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Archiv-Artikel

Das Rückgrat der Filme

EHRUNG Der spanische Komponist Alberto Iglesias erhält am Donnerstag den 13. Bremer Filmpreis. Laut Jury zeichnen sich seine Kompositionen durch „die Fähigkeit aus, einer visuellen Form auf der akustischen Ebene Atmosphäre zu verleihen“

Iglesias ist er der meistprämierte europäische Filmkomponist

Filmpreise werden meist unter Regisseuren und Schauspielern verteilt. Sie sind bekannt, können glamourös präsentiert werden, so sonnen sich die Stifter des Preises immer auch ein wenig im Glanz der Berühmtheiten.

Der Bremer Filmpreis wurde in den 13 Jahren seines Bestehens gerne nach diesem Prinzip vergeben, so wurden Bruno Ganz, Tilda Swinton, Kati Outinnen, Nina Hoss und Agnés Varda ausgezeichnet. Der große Coup mit dem Preisträger Lars von Trier gelang 2009 leider nicht, weil der notorische Nichtkommer auch diesmal zu Hause blieb. 2005 und 2006 waren die Preisträger Jean-Pierre & Luc Dardenne und Ken Loach mit solch gutem Timing gewählt, dass sie ein paar Monate später in Cannes die Goldenen Palme gewannen.

Aber die Jurys versuchten über die Jahre auch, den anderen Gewerken des Films gerecht zu werden. So bekamen der Produzent Karl Baumgartner und die Cutterin Bettina Böhler den Preis, obwohl ihr Glamourfaktor gleich null war. In dieser Tradition hat die Jury, die in diesem Jahr aus dem Regisseur Pepe Danquart, der taz-Filmredakteurin Cristina Nord und dem Filmhistoriker Dr. Rainer Rother besteht, mit dem Spanier Alberto Iglesias einen Komponisten von Filmmusik ausgewählt.

Iglesias hat keinen in ganz Europa bekannten Namen. Dabei ist er mit sieben spanischen Goyas, zwei europäischen Filmpreisen, zwei „Oscar“-Nominierungen und der Auszeichnung als „Komponist des Jahres 2006“ der meistprämierte europäische Filmkomponist. Aber seine stilistische Vielseitigkeit macht ihn auch unscheinbar. Iglesias versucht, für jeden Filomink mollm die passenden, ganz anderen Klänge zu finden. Die Jury schreibt in ihrer Begründung, seine Kompositionen „zeichnen sich durch große Sensibilität und die Fähigkeit aus, einer visuellen Form auf der akustischen Ebene Atmosphäre zu verleihen“. Diese Qualität erkannte als Erster Regisseur Julio Medem, der Iglesias 1992 die Musik für sein Spielfilmdebüt „Vacas – Kühe“ schrieben ließ. Seitdem arbeiten die beiden bei jedem seiner Filme zusammen.

Iglesias studierte Komposition und Klaver und machte in den 80er Jahren elektronische Musik. Seine Filmmusik besteht aber meist aus akustischen Klängen, die oft von einem Orchester mit Piano eingespielt werden. Dabei ist er einfallsreich bei der Instrumentierung – so setzte er im Soundtrack zu Steven Soderberghs „Che“ auch Dudelsack, Bassflöte, Perkussionsinstrumente und Geräuschquellen ein.

Iglesias ist ein expressionistischer Komponist, der die verschiedenen Stimmungen und Landschaften der Filme mit seiner Musik heraufbeschwört. Dabei verzichtet er ganz auf Klischees und Zitate und findet stattdessen immer ein kleines Thema oder eine klangliche Nuance, die den Film solide an Schauplätzen wie dem tiefsten Norden (in „Die Liebenden des Polarkreises“) oder Kenia (in „Der ewige Gärtner“) verankert. Pedro Almodóvar, der 1995 zum ersten Mal mit ihm arbeitete, nennt Iglesias‘ Musik „das kraftvolle und originelle musikalische Rückgrat“ seiner Filme. Die Musik von Iglesias ist dabei auch immer ein lyrischer Kontrapunkt zu Almodóvars Vorliebe zu melodramatischen Exzessen.

Iglesias ist seit einigen Jahren auch international gefragt. Zuerst erhofften sich Regisseure wie John Malkovich in „Der Obrist und die Tänzerin“ und Oliver Stone in „Comandante“ wohl ein lateinamerikanisches Flair von ihm, aber nun hat Marc Foster ihn auch das Afghanistan in „Drachenläufer“ klanglich untermalen lassen. Albertos neue Filmmusiken sind für die Filme von Almodóvar („Mina“) und für „The Monk“ des Franzosen Dominik Moll. Beide Regisseure sind Stammgäste in Cannes und vielleicht folgt ja diesmal wieder auf den Bremer Filmpreis eine Auszeichnung an der Croisette. WILFRIED HIPPEN