Böhnhardt unter Verdacht

NSU 1993 wurde die Leiche eines Jungen in Jena gefunden. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft neu. Auch unter Verdacht: der inzwischen tote NSU-Terrorist Böhnhardt

MÜNCHEN/GERA dpa | Am 6. Juli 1993 verschwand der neun Jahre alte Bernd Beckmann aus Jena. Zwölf Tage später wurde seine Leiche am Ufer der Saale gefunden. Bis heute ist ungeklärt, wer das Kind ermordet hat. Seit wenigen Monaten wird in dem Fall wieder ermittelt. Die Staatsanwaltschaft verfolgt eine alte Spur neu. Sie soll angeblich zu dem mutmaßlichen NSU-Mörder Uwe Böhnhardt und dem mutmaßlichen Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), Enrico T., führen.

Anlass des Verfahrens seien „verbesserte Möglichkeiten, Spuren auszuwerten“, sagt der Geraer Staatsanwalt. Was er damit meint, erklärt er nicht. Als Geheimnis hüten die Ermittler auch die Umstände des Todes von Bernd Beckmann.

Ins Rollen brachten die neuen Ermittlungen wohl auch die Vernehmungen zu den Verbrechen des NSU. Wenige Monate nach dem Auffliegen des Trios und dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten die Fahnder einen Aussteiger aus der Jenaer Szene ausfindig gemacht. Dieser Mann belastete Enrico T.

T. war 1993 kurz nach dem Auffinden der Kinderleiche unter Verdacht geraten. Nur wenige Meter von dem Toten entfernt lag ein ihm gehörender Bootsmotor. T. bestritt in einer Polizeivernehmung im Jahr 2012, mit dem Kindermord etwas zu tun zu haben. Sein Boot samt Motor sei ihm gestohlen worden. Er habe es vor dem Verschwinden des Jungen eine Woche lang gesucht. Der Einzige, der gewusst habe, wo es lag, sei Böhnhardt gewesen. Als T. später von den Morden des NSU-Trios gelesen habe, habe er vermutet, Böhnhardt könne das Kind ermordet und versucht haben, ihn zu belasten.

Böhnhardt und T. gehörten in den 90er Jahren derselben Jugendbande an. Böhnhardt wurde im Februar 1993 wegen Diebstählen und Körperverletzung zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Im Juni 1993, wenige Wochen vor dem Verschwinden Bernd Beckmanns, kam er frei. Im August darauf, nur wenige Tage nachdem Beckmanns Leiche am Saaleufer gefunden wurde, stand er erneut vor Gericht. Enrico T. soll zur selben Zeit versucht haben, mit einem gestohlenen Radlader die Front einer Bankfiliale einzufahren.

T. spielt auch bei der Untersuchung der NSU-Mordserie eine Rolle. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass er daran beteiligt war, die Tatwaffe zu beschaffen. Mit ihr begingen Böhnhardt und Mundlos nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft neun der zehn Morde, die ihnen zugeschrieben werden.