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Archiv-Artikel

Attentat auf Polizeirekruten

IRAK Bei dem schwersten Selbstmordanschlag seit Bildung der neuen Regierung kommen mindestens 45 Personen ums Leben

„Die Sicherheitskräfte müssen die Verantwortung übernehmen“

ABDULLA DSCHABARA, ABGEORDNETER

AUS BAGDAD INGA ROGG

Ein Selbstmordanschlag auf die Polizei in der irakischen Stadt Tikrit hat am Dienstag mindestens 45 Todesopfer gefordert. Nach Angaben der Behörden sprengte sich der Attentäter am Morgen unter einer Gruppe von jungen Männern in die Luft, die sich für den Polizeidienst bewerben wollten. Laut dem örtlichen Krankenhaus wurden 45 Personen getötet und 140 verletzt, das Innenministerium in Bagdad sprach von 50 Toten und 150 Verletzten.

Vertreter der Provinzregierung machten die Terrorgruppe al-Qaida im Irak für den Anschlag verantwortlich. Diese wolle die mehrheitlich sunnitische Provinz destabilisieren, sagte der Provinzabgeordnete Abdulla Dschabara. Dabei kritisierte er aber auch die „Inkompetenz und Pflichtverletzungen“ aufseiten der Sicherheitskräfte. „Die Sicherheitskräfte müssen die Verantwortung für diese Tragödie übernehmen“, forderte er.

In einer Sondersitzung forderte der Provinzrat die Regierung in Bagdad auf, die Getöteten nachträglich zu Polizisten zu ernennen, damit die Familien eine Hinterbliebenenrente bekommen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Irak ist der Polizei- und Armeedienst eine der wenigen Möglichkeiten für ein geregeltes Einkommen.

Verglichen mit den bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den Jahren 2005 bis 2007 hat sich die Sicherheitslage im Irak deutlich gebessert. Von Normalität kann freilich weiterhin keine Rede sein. Im Durchschnitt werden jeden Tag im Irak mindestens zwei Anschläge verübt.

Obwohl die irakischen Sicherheitskräfte gute Fortschritte im Kampf gegen Terrorgruppen gemacht hätten, stehe der Irak, besonders nach dem Abzug der US-Truppen, vor großen Herausforderungen, sagte ein hochrangiger westlicher Diplomat. Die Terrororganisationen seien weiterhin in der Lage, schwere Anschläge auf die Zivilbevölkerung, die Sicherheitskräfte und die internationale Gemeinschaft zu verüben. Die Extremisten bildeten weiterhin eine große Gefahr.

Der Anschlag auf die Polizeirekruten in Tikrit war der schwerste seit dem Amtsantritt der „Regierung der nationalen Einheit“ unter Ministerpräsident Nuri al-Maliki, einem Schiiten. Der Regierung, die immer noch nicht vollständig ist, gehören erstmals seit dem Sturz des Saddam-Regimes auch namhafte Sunniten an. Das hat Hoffnungen auf ein Ende der Gewalt genährt.

Neben den Christen greifen die Extremisten seit Monaten vor allem die Sicherheitskräfte an. Im August fielen einem Anschlag auf ein Stabsquartier einer Armeeeinheit in Bagdad mehr als 50 Rekruten zum Opfer, zwei Wochen später wurden bei einem Überfall auf dieselbe Zentrale 8 Soldaten getötet. Am Montag entging der Gouverneur der sunnitischen Provinz Anbar nur knapp einem Autobombenanschlag. In Bagdad verbreiten Unbekannte seit Monaten mit Morden an Polizisten und Armeeoffizieren Angst und Schrecken. Auch die Amerikaner, die sich vor allem auf die Ausbildung von irakischen Sicherheitskräften beschränken, werden immer wieder Ziel von Anschlägen.