piwik no script img

Archiv-Artikel

Härterer Wettbewerb im Handel

Weitgehende Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verteilt Nachfrage neu

DÜSSELDORF rtr Für den Kölner Tabakhändler Peter Heinrichs ist mit der Liberalisierung der Ladenöffnung die Zeit der Illegalität vorbei. 30 Jahre lang hat er sich mehr oder weniger nicht um die gesetzlichen Öffnungszeiten geschert und dadurch mehr Umsatz gemacht. Nun kann er seinen Laden ganz legal länger offen halten. Spätestens im neuen Jahr dürfen Händler in den meisten Bundesländern ihre Geschäfte an Werktagen rund um die Uhr öffnen, in anderen zwischen 6 und 22 Uhr.

Tabakhändler Heinrichs sieht sich in seinem jahrelangen Widerstand gegen ein staatliches Korsett bestätigt. Der passionierte Pfeifenraucher öffnet seine drei Geschäfte an Werktagen seit 30 Jahren um sechs Uhr morgens und schließt sie seit Jahren um 22 Uhr. „Mir ist nie etwas passiert, weil die Kontrolleure morgens um sechs noch in ihren Betten lagen.“ Heinrichs Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Der Umsatz stieg im Hauptgeschäft um 35 Prozent. „Bei mir kaufen frühmorgens Ärzte und Geschäftsleute ein, die sonst den ganzen Tag lang nicht zum Einkaufen kommen“, sagt er.

Doch Branchenexperten rechnen nicht damit, dass in Deutschland über Nacht Zustände wie in den USA einkehren, wo die Läden mancherorts 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet sind. „Es dauert sehr lange, bis sich längere Öffnungszeiten wirklich durchsetzen“, sagt Handelsexperte Johannes Siemes von der Unternehmensberatung KPMG. Der „lange Donnerstag“ etwa habe sich erst nach Jahren in den Köpfen der Verbraucher festgesetzt. „Die meisten werden bei 20 Uhr bleiben, eine Minderheit wird sich durch längere Öffnungszeiten profilieren“, prognostiziert Sirko Siemssen, Handelsfachmann der Unternehmensberatung Mercer Management.

Die längeren Öffnungszeiten werden die Handelslandschaft nach Einschätzung der Experten nicht schlagartig, aber auf lange Sicht umso kräftiger durcheinanderbringen. „Der gesamte Kuchen wird dadurch zwar nicht größer, aber er verteilt sich anders“, sagt Mercer-Fachmann Siemssen. Das machte auch die Fußball-WM deutlich, während der viele Händler mit Sondergenehmigungen länger öffneten – und oft enttäuscht von den Umsätzen waren. Einige Geschäfte mit einem besonderem Sortiment, an besonderen Standorten oder mit speziellem Flair verbuchten aber deutliche Umsatzsteigerungen.

Die überregionalen Ketten sieht Siemssen als Gewinner der Entwicklung. „Letztlich wird der Verdrängungswettbewerb weiter angeheizt“, prognostiziert er. Aber auch kleine Nahversorger könnten ihre Chance wittern, nach dem Vorbild der in Nordamerika verbreiteten Minisupermarktkette 7-Eleven. Verlierer seien diejenigen Händler, die überhaupt nicht reagierten, aber auch Tankstellen und Bahnhofskioske, die am meisten von den frühen Schließungszeiten profitiert hatten.