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Archiv-Artikel

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Auf einer Nordseeinsel, neulich, am Strand, am Tag nach einem Orkan. Man ging an diesem raubtierhaften Meer entlang, unter fliegenden Wolken. Weit war der Horizont. Nach Salz schmeckte die Luft. Die ortsansässigen Möwen veranstalteten das tägliche Schlachtfest unter den angeschwemmten Muscheln. Und dann war da diese Ente, die genau da hockte, wo die Wellen ausliefen. Man ging vorbei, und sie ließ einen viel zu nah an sich heran. Offensichtlich entkräftet, konnte sie nichts anderes mehr tun, als nur noch darauf zu warten, was geschieht. Was einen aber sofort auf die Idee brachte, ein kleines Requiem für diese Ente zu schreiben: Wie ihr Auge einen ansah! Ein Projektionsspiel. Sah sie ängstlich? Schicksalsergeben? Können Enten ängstlich sehen? Wissen sie, dass sie bald sterben werden? Denn das war klar: Bald würde sie sterben. Lauf der Welt. Ordnung der Natur. So ist das eben. Und was auch so ist, wie es ist: Nach kurzem trostlosen Gucken ging man weiter – und sah schon in der Drehbewegung den Schlächter kommen. Ein Ehepaar ging einem entgegen, mit Hund! Und so geschah es. Sobald der Hund die Ente wahrnahm, rannte er auch schon laut bellend auf sie zu. Die Ente wartete bis zum allerletzten Augenblick, dann spannte sie noch einmal all ihre letzte Kraft zusammen, panisch breitete sie die Flügel aus (eine Situation, die man wie in Zeitlupe wahrnahm), schaffte es tatsächlich, sich noch einmal aus dem Wasser zu erheben – aber über die große Welle, die genau in diesem Moment aufs Land zurollte, schaffte sie es nicht mehr. Die Welle verschluckte sie mit einem Rauschen. Eine halbe Stunde stand man noch am Strand und sah sie doch nicht wieder. Die Strömung hat sie wohl gleich fortgerissen. Auch der Hund war verdutzt. Er schnupperte der Ente kurz hinterher, dann tobte er weiter, der arglose Mörder, und jagte Möwen.