: Die Kunst des Schenkens
NO-THEATER Das japanische Komparu Ensemble glänzt würdevoll zum Auftakt des Jubiläumsjahrs der deutsch-japanischen Beziehungen
Kunstaustausch als höfliche Geste: Die Aufnahme bilateraler Beziehungen zwischen Japan und Deutschland jährt sich 2011 zum 150. Mal. Deshalb finden in deutschen und japanischen Einrichtungen beider Länder eine Reihe offizieller Termine und unterhaltsamer sowie wissenschaftlicher Veranstaltungen statt. Zum Auftakt beschenkte Japan das Publikum im Haus der Kulturen der Welt mit zwei Aufführungen aus dem Repertoire seiner ältesten und anspruchsvollsten Bühnenkunst, dem No-Theater. Nicht ganz so traditionsreich war die deutsche Gegengabe, aber davon später.
Das Wort „No“ bedeutet so viel wie „Fertigkeit, Können“ und bezieht sich auf die Ausübung des erworbenen Wissens um die Künste. Entstanden Ende des 13. Jahrhunderts aus pantomimischen Formen weltlicher und feierlicher Darstellungen in Verbindung mit Musik, erfuhren die No-Spiele im Laufe der Entwicklung eine Formalisierung, Kodifizierung und Ritualisierung, die bis heute vielen Zuschauern in diesen Breitengraden schwer zugänglich erscheint. Die berühmtesten No-Spiele stammen von Zeami Motokiyo (1364–1443), der auch mit theoretischen Schriften den Grundstein für jahrhundertelange Darstellungstraditionen legte. Seinem Enkel wird das Stück „Funa Benkei“ zugeschrieben, das am Mittwoch zwei Mitglieder des Komparu-Ensembles aus Tokio in Grundzügen erklärten, simultan übersetzt per Kopfhörer. Als Andeutung der Bühne musste man sich mit einer Fläche aus hellem Tanzteppich zufrieden geben.
Zu den spannungsreichsten Momenten im No-Theater gehören die Tänze. Sie stehen für dramatische Höhepunkte und bescheren unmittelbar den Anblick der außergewöhnlichen Fertigkeiten des Hauptdarstellers. Dieser verkörpert im ersten Teil von „Funa-Benkei“ eine Frau, die sich mit einem Tanz von ihrem Geliebten verabschiedet. Angetan mit Maske und einem prächtigen Gewand, breitet er die Arme aus, führt den kostbaren Fächer um den Körper und beschreibt vorwärts und rückwärts Wege auf wenig Raum. Er bleibt stehen und stampft, setzt den Tanz im schnellen Wechsel konzentrierter Gesten und minimalen Richtungsverschiebungen fort und sinkt nieder.
Sake für die Dame
Zum Abschied wird der Dame ein Chrysanthemen-Sake gereicht, imaginär auf einem waagerecht ausgebreiteten Fächer von einem anderen Spieler. Der Hauptdarsteller kehrt nach einiger Zeit in der furchterregenden Gestalt eines Totengeistes auf die Bühne zurück und bringt in einem stürmischen Tanz die Rachsucht der Figur zum Ausdruck.
Die Fantasie wird in einer No-Aufführung von Darsteller und Chor durch die Erzählung über vergangene Ereignisse beflügelt. Die sieben Stimmen des Chors übernehmen die Erzählung des Hauptspielers auch während der Tänze.
Zu Beginn des Abends hatten der japanische Botschafter Shinyo Tahahiro und der Vizeaußenminister Japans, Yutaka Banno, feierlich und sehr sympathisch auf den folgenden Genuss eingestimmt. Staatsministerin Cornelia Pieper berichtete vom deutschen Beitrag zu den Feierlichkeiten. Da sie aus Sachsen-Anhalt komme, habe sie sich besonders dafür eingesetzt, dass Tokio Hotel – die weltbekannte deutsche Rockband, die den Look des Japan-Pops erfolgreich adaptiert hat – im vergangenen Dezember ein paar Tage in Tokio verbringen konnte. FRANZISKA BUHRE
■ Bis 1. 5. werden im Ostasiatischen Museum No-Gewänder gezeigt