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Juden wollen keine Synagoge in Potsdam

Zentralrat stellt sich gegen Projekt für neues Gotteshaus, weil die brandenburgischen Gemeinden hoch verschuldet sind. Vor Ort ist man entsetzt und verweist auf die Möglichkeit, Neubau und Betrieb mit Spendengeldern zu finanzieren

BERLIN taz ■ Bei der Sekretärin war Schluss. Weiter kam Horst-Dieter Weyrauch nicht, als er beim Zentralrat der Juden für eine Spendengala zum Neubau einer Synagoge in Potsdam einladen wollte. Zur der Veranstaltung Mitte November ließen sich weder die Vorsitzende Charlotte Knobloch noch der Generalsekretär Stephan Kramer sehen. Warum, das konnte Synagogenbefürworter Weyrauch zu Weihnachten in der Zeitung lesen. Kramer hält die Pläne für den Neubau eines jüdischen Gotteshauses in Brandenburgs Hauptstadt für eine „Verhöhnung“ der übrigen Gemeinden im Land.

Der Zentralrat ist gegen einen Synagogenneubau, das klingt zunächst absurd. Charlotte Knobloch hatte die neue Synagoge in München am 9. November selbst miteröffnet und sie ein „Zeichen der Hoffnung“ genannt. Warum sollte in Brandenburg unerwünscht sein, was in München möglich ist? Stephan Kramer begründet seine Ablehnung des Potsdamer Projekts mit der finanziellen Situation der sieben jüdischen Gemeinden in Brandenburg. „Sie haben oft so wenig Geld, dass sie am Tropf des Zentralrats hängen“, sagte Kramer gestern der taz. „Egal ob es um Büromaterial oder Deutschkurse für eingewanderte Juden geht, die Gemeinden müssen immer wieder bei uns anfragen, weil sie sich die einfachsten Dinge nicht leisten können.“ In einer solchen Situation eine teure Synagoge nur für Potsdam zu bauen, spotte „der Situation der Gemeinden in Frankfurt an der Oder und anderswo im Land“.

Die Befürworter der Synagoge um Horst-Dieter Weyrauch finden solche Äußerungen „äußerst empörend“. 2005 hat Weyrauch den Bauverein Neue Synagoge Potsdam gegründet, seitdem versucht er, das Geld für ein Gotteshaus aufzutreiben. 3 bis 4 Millionen Euro soll der Neubau kosten. Der Protestant Weyrauch kümmert sich seit acht Jahren als Beauftragter der Stadt Potsdam um die Beziehungen zwischen der jüdischen Gemeinde und der Stadtverwaltung.

Auch er kennt die finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinden. „Wir wollen die Synagoge aber so finanzieren, dass sie den Landesverband nicht belastet“, sagt Weyrauch. Der Bau solle durch Spenden abgesichert werden, den späteren Unterhalt solle eine eigens eingerichtete Stiftung bezahlen. „Unser Konzept ist sehr durchdacht“, sagt Weyrauch. „Das hätte auch Herr Kramer bemerken können, wenn er einmal mit uns gesprochen hätte, statt eine solche Taktlosigkeit an den Tag zu legen.“

Kramer meint, er habe seine Ablehnung gegen derartige Großprojekte schon früher zum Ausdruck gebracht. Schließlich war er zweieinhalb Jahre lang Zwangsverwalter des Landesverbands. Der Grund für die desolate Finanzlage war, dass Brandenburg bis zum Mai 2005 keinen Staatsvertrag mit den jüdischen Gemeinden abgeschlossen hatte und daher keine Zuschüsse zahlte. Heute gibt das Land zwar Geld, aber weit weniger als selbst arme Länder wie Sachsen-Anhalt. 200.000 Euro sind es im Jahr. Davon muss noch bis 2016 die Hälfte aufgewendet werden, um Schulden aus der Zeit vor dem Staatsvertrag zu tilgen. 600.000 Euro jährlicher Zuschuss wären nach Ansicht Kramers nötig. DANIEL SCHULZ

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