: Esel im Fladenbrot
STREETFOOD Auch in China isst man Döner. Allerdings mit besonderem Fleisch
■ Zutaten für vier Menschen: 200 Gramm Weizenmehl, Salz, 2 Esslöffel Öl, 300 Gramm Eselfleisch (alternativ auch Schweinenacken), etwas Sojasoße, 1 Knoblauchzehe, Ingwer, 2 Paprika, 1 Zwiebel, 100 Gramm Koriander, 2 große Schweineknochen, 100 Gramm weicher Tofu
■ Die Suppe: Am Vorabend die Schweineknochen in zwei Litern Wasser zum Kochen bringen und etwa zwölf Stunden köcheln lassen, bis eine kräftige Brühe entsteht. Salzen und pfeffern. Alternativ kann man auch einen halben Liter Schweinefonds verwenden. Den Tofu und 50 Gramm Koriander kleinschneiden und in die Suppe geben.
■ Die Füllung: Ebenfalls am Vorabend das Fleisch etwa zehn Minuten lang in Wasser kochen, danach herausnehmen und abkühlen lassen. In dünne Scheiben schneiden, pökeln – also salzen – und für eine Nacht zum Trocknen auf einen Rost legen. Am nächsten Tag klein hacken und mit der gewürfelten Zwiebel, dem Knoblauch, dem Ingwer, der klein geschnittenen Paprika, dem Koriander und etwas Sojasoße mischen.
■ Die Fladen: 200 Gramm Mehl, 1 1/4 Teelöffel Salz, 120 Milliliter Wasser und zwei Esslöffel Öl zu einem Teig kneten, anschließend in acht Bälle teilen. Die Bälle mit einem Nudelholz zu Fladen ausrollen. Mit Öl bepinseln und erst zu Zigarren, dann zu Schnecken zusammenrollen. Die Schnecken langziehen, sodass sie eine ovale Form bekommen. Die Fladen dann etwa eine halbe Stunde im Ofen backen, bis sie goldbraun sind. Aufschneiden, mit dem Fleisch füllen und zur Suppe servieren.
AUS PEKING FELIX LEE
Eine Kraftbrühe aus Schweineknochen brodelt in einem gusseisernen Topf. Es riecht nach Pfefferschoten und Bärlauch. Obwohl die Zeit zum Mittagessen vorbei ist und es bis zum Abendessen noch einige Stunden dauert, ist der kleine Laden mit den fünf Tischen voll. Meng Yan – dreißig, mit dunkelroter Schürze und rötlichen Haaren – leitet den Laden. Sie kommt bei den vielen Bestellungen kaum hinterher. Einige der rauchenden Gäste schickt sie vor die Tür. Sie sollen dort warten.
Meng Yan kocht „Traditional old Tofu-Soup“. Das „old“ hat sie auf Anraten eines australischen Touristen mit einem schwarzen Stift durchgestrichen. Old klinge zu sehr nach oll, hatte er ihr erklärt, und erinnere den westlichen Kunden an Gammelfleisch. Seitdem ist das Gericht im Viertel auch bekannt als „Suppe mit dem durchgestrichenem alt“.
Meng Yan schiebt ein Gitter mit ovalen Fladen in den Ofen. Mit einem kleinem Beil zerhackt sie das gepökelte Eselfleisch mit der feinen rötlichen Maserung und vermischt es mit gewürfelten Zwiebeln, Paprika, etwas Sojasoße und frisch gepflücktem Koriander zu einer sämigen Füllung.
In Großbritannien empörten sich vor einem Jahr die Menschen, als im Hack aus dem Supermarkt Pferde- und Eselfleisch gefunden wurde. „Wir Chinesen hätten uns über eine solche Mischung gefreut“, sagt Meng Yan und lacht. Eselfleisch gilt vor allem im Nordosten Chinas als etwas Besonderes.
Auf der Speisekarte des Imbisses sind auch andere Gerichte aufgeführt: Kebab mit Eselzunge, Kebab mit Eselleber, Eselfleischsuppe. In den kalten Wintermonaten werde einem nach dem Verzehr schön warm, erzählt Meng Yan.
Die Traditionelle Chinesische Medizin teilt Nahrungsmittel in warm und kalt auf. Werden zu viele „heiße“ Dinge gegessen, wird auf diese Weise das „Innere Feuer“ entfacht und der Körper neigt zu Entzündungen. Der Verzehr von zu viel „kalten“ Lebensmitteln schwäche den Körper, man fühle sich dann schlapp.
Macht schön
Eselfleisch wärmt und kräftigt. Das ist die traditionelle Lesart. Aber junge Chinesinnen essen das Fleisch auch aus einem anderen Grund gerne: Es enthält sehr viel Kollagen, ein bestimmtes tierisches Eiweiß, das die Haut glatt und geschmeidig macht. Und Chinesinnen legen sehr viel Wert auf gute Haut.
Umso größer war die Aufregung, als die chinesische Lebensmittelaufsicht Anfang des Jahres bei einer Walmart-Filiale in einer als Eselfleisch deklarierten Tiefkühlpackung Fuchsfleisch fand. Walmart musste sich im chinesischen Staatsfernsehen öffentlich für die Falschangabe entschuldigen. „Dieser Lebensmittelskandal hatte auch Auswirkungen auf unser Geschäft“, erinnert sich Meng Yan. Einige Stammkunden ließen sich über Wochen nicht blicken.
Nein, Fuchsfleisch würde sie nie im Leben in ihre Kebabs mischen, sagt sie. Sie wüsste gar nicht, woher sie den Fuchs bekommen soll. Ihr Bruder und ihr Vater schlachten die Esel bei sich zu Hause auf dem Hof und pökeln das Fleisch, bevor sie es in die Hauptstadt abtransportieren.
Meng Yan und ihre Familie kommen aus Hejian, etwa 200 Kilometer südwestlich von Peking. Früher war die Gegend als Kornkammer bekannt, heute gilt sie eher als arm. Kohlestaub hängt in der Luft – von den vielen Kraftwerken und Stahlhütten in der Umgebung. Trotzdem leben noch immer viele Menschen dort von Land- und Viehwirtschaft.
„Eselfleisch-Kebab hat bei uns eine lange Tradition“, erzählt Meng Yan. Es gab früher nur zwei Orte, die überhaupt dieses Gericht zubereiteten. Hejian und die benachbarte Stadt Baoding. Bei ihnen in Hejian seien die Fladen oval, in Baoding sind sie kreisförmig.
Schon der Mandschu-Kaiser Qianlong, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts über China herrschte, soll die ovale Version bevorzugt haben. Angeblich habe er sogar einmal den Kaiserpalast in Peking verlassen, um sich persönlich ein Bild zu machen, wie der Eselfleisch-Kebab zubereitet wird. Das sei freilich eine Legende, gibt Meng zu. Wahrscheinlicher ist, dass Händler aus ihrem Heimatort die mit Eselfleisch gefüllten Fladen mit dem Karren in die Verbotene Stadt nach Peking transportierten. Geschlachtet wurde der Esel aber in Hejian, sagt Meng. An dieser Tradition halte ihre Familie fest.
In ihrem Dorf heißen mit Nachnamen alle Meng – ein in China ansonsten eher seltener Nachname. Sie stammen alle von Menzius ab, dem berühmten Denker, der zwischen 370 und 290 vor Christus in der Region lebte und der berühmteste Schüler des noch berühmteren Konfuzius war. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gelehrten und dem Esel ist zwar nicht überliefert, gesteht Meng Yan. Ihr berühmter Urahn galt aber als bescheiden, zuweilen auch als eigenwillig. „So wie ein Esel eben“, sagt sie.
■ Felix Lee ist taz-Korrespondent in China
■ Die Essecke: Unsere Korrespondenten erzählen hier jeden Monat, was in ihren Ländern auf der Straße gegessen wird. Philipp Maußhardt schreibt über vergessene Rezepte, Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche