: Fünf Wochen, 400 Kilometer Fußmarsch
FLÜCHTLINGE Von Straßburg über Schengen bis Brüssel: vorläufiger Abschluss eines Protests, der eigentlich schon seit 1996 läuft. Und eine Warnung vor provoziertem Rassismus
AUS BRÜSSEL CHRISTIAN JAKOB
Der „Marsch für die Freiheit“ ist am Ziel: Pünktlich zum Weltflüchtlingstag erreichten etwa 100 Flüchtlinge am Freitagmittag die EU-Hauptstadt. Vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments hielten sie eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit statt Frontex“ ab. Sie waren in den vergangenen fünf Wochen über 400 Kilometer von Straßburg bis Brüssel zu Fuß gelaufen. Mit ihrer Aktion wollen sie gegen die restriktive Asylpolitik Europas protestieren.
„Die Menschen bekommen immer zu hören, die Abschottung sei der einzige Weg, ihren Wohlstand zu sichern. So entsteht Rassismus“, sagt Amir, ein im Iran geborener staatenloser Asylsuchender aus Deutschland. „Wir sind keine Gefahr. Trotzdem behandelt man uns so, sperrt uns ein und schickt uns zurück.“
Auf dem Marsch seien Flüchtlinge aus vielen Ländern zusammengekommen. „Wir haben schon mal gezeigt, wie es ohne Grenzen sein könnte“, sagt Amir. Die meisten der Flüchtlinge widersetzten sich mit ihrer Teilnahme der Auflage, das Land, in dem sie ihren Asylantrag gestellt haben, nicht zu verlassen.
In der Nacht hatten sie auf einem Sportplatz im Brüsseler Vorort Saint Genesius campiert, ab dem Morgen eskortierten sie Polizeikolonnen. Einige der Demonstranten trugen Attrappen von Maschinengewehren mit sich. „Europa hat Waffen in unsere Länder gebracht und damit Kriege ermöglicht, wegen denen Menschen fliehen müssen. Deswegen bringen wir diese Waffen jetzt wieder zurück“, sagte der aus der Türkei stammende Asylsuchende Turgay Ulu.
Zu den Demonstranten hatten sich am Freitag auch Vertreter der französischen Sans-Papiers-Bewegung gesellt. Sie hatte 1996 mit ähnlichen Märschen und Kirchenbesetzungen ihrer Forderung nach einem Aufenthaltsrecht Nachdruck verliehen und den Anstoß zur Organisierung von Flüchtlingen in ganz Europa gegeben.
Während der letzten Wochen passierten die Flüchtlinge auch das luxemburgische Schengen, wo einst die Verträge über die europäischen Freizügigkeit geschlossen wurden. Sie überquerten dort den Grenzfluss Mosel mit einem Schlauchboot, um an die Gefahren zu erinnern, die der Weg in den nach außen abgeschotteten Schengen-Raum für Papierlose bedeutet. Bei der Innenministerkonferenz in Luxemburg kam es zu einer Sitzblockade. Die Polizei löste diese gewaltsam auf, ließ alle Festgenommenen aber nach einigen Stunden wieder frei.
Der Marsch bildet den Gipfel der seit rund zwei Jahren andauernden Flüchtlingsproteste, die in Süddeutschland ihren Anfang genommen hatten. Im Oktober 2012 waren Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin marschiert und hielten bis April den Oranienplatz besetzt. Ein Teil von ihnen war nun auch nach Brüssel unterwegs.