: Erst feiern, dann zahlen
In der Silvesternacht herrscht noch eine Gnadenfrist – dann steigt auf 19 Prozent die Mehrwertsteuer. Auch beim Umtausch von ungeliebten Weihnachtsgeschenken
Im Drogeriemarkt um die Ecke lauerten gestern schon die Vorboten der nahenden Mehrwertsteuererhöhung. An der Kasse kostete das Zehnerpäckchen Orbit zwar wie bisher 55 Cent, an den Regalen kündeten jedoch bereits neue Preisetiketten von den ab 1. Januar fälligen 59 Cent. Das selbe Bild auch beim Toilettenpapier, dem Duschgel und dem Silvestersekt.
Ab dem ersten Januar 2007 steigt der Umsatzsteuersatz von 16 auf 19 Prozent. Alles außer Lebensmitteln und Produkten mit reduziertem 7-Prozent-Steuer-Satz wie Bücher und Blumen wird teurer. Vorratskäufe lohnen sich aber nur bei teuren Konsumgütern, wer will schon wegen ein paar Cent die Wohnung voller Kaugummi haben? Ungeliebte Weihnachtsgeschenke aber sollte man unbedingt noch im alten Jahr umtauschen. Da beim Umtausch der ursprüngliche Kauf rückgängig gemacht wird, fällt ab 1. Januar der erhöhte Steuersatz an, und man zahlt noch drauf, wenn man die hässlichen Socken von Tante Hilde loswerden will.
In der Silvesternacht wird die große Verwirrung ausbleiben. Das Finanzministerium verfügte in einem Sondererlass, dass Gastronomen bis in die frühen Morgenstunden den alten Steuersatz abrechnen können. „Der Sekt in der Bar kostet Sie um fünf vor elf dasselbe wie um vier Uhr morgens“, fasst Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband zusammen. „Das Frühstück zählt aber eindeutig zum nächsten Tag.“ Für Hotelgäste, die ein Übernachtungspaket gebucht haben, kosten Nächte vor dem 1. Januar drei Prozent weniger als alle danach. Bei einem für die Silvesternacht gemieteten Partyraum gilt hingegen schon der neue Steuersatz. Berechnet wird nach dem Zeitpunkt der vollständig erbrachten Leistung – und die liegt bei jeder guten Silvesterparty weit nach null Uhr.
Beim Nachhausekommen muss keiner Kopfrechnen, Taxis und BVG fallen als Leistungen des Öffentlichen Personennahverkehrs unter den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, der unverändert bleibt. Für Raucher werden weniger die runden 4 Euro pro Packung zum Ärgernis werden als die neuen Automaten, die eine Bankkarte mit Altersnachweis-Chip verlangen. Auch das Aspirin für den Tag danach sollte man besser schon im Schrank haben. Die Autofahrt zur Notapotheke wird bei um 5 bis 6 Cent gestiegenen Literpreisen für Benzin und Diesel teuer. Auch für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel und alle Getränke zum Runterspülen gilt der neue Steuersatz.
Die große Ernüchterung wird erst kommen, wenn alle Gäste weg sind und das Jahr fortschreitet. Denn abgesehen von der Steuererhöhung werden noch andere Dinge teurer. Krankenkassen erhöhen ab Januar die Beiträge, die AOK Berlin um 1,2 Prozent. Auch Leitungswasser wird teurer, die erhöhte Grundsteuer für Hauseigentümer beschert den Mietern höhere Nebenkosten von bis zu 50 Euro pro Jahr. Ab 1. April wird die BVG ihre Preise um 2,6 Prozent erhöhen. Und für Gutverdienende, die im Ostteil Berlins arbeiten, bringt die Aufhebung der Bemessungsgrenze für die Rentenversicherung etwa 15 Euro Mehrkosten im Monat. Also besser im alten Jahr noch mal richtig feiern – Cents zählen wird man noch lange genug. Nina Apin