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Archiv-Artikel

„Atomkraft rettet das Klima nicht“

Michael Müller (SPD), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, setzt auf mehr Effizienz und erneuerbare Energien. Eine Verlängerung der Laufzeit für das AKW Biblis A hält er für nicht vorstellbar. Bleibt es dabei, muss es bald abgeschaltet werden

INTERVIEW NICK REIMER

taz: Herr Müller, um Kohlendioxid zu vermeiden, will EnBW das AKW Neckarwestheim länger laufen lassen. Freut Sie das als Klimaschützer?

Michael Müller: Die Angst vor dem Atom-GAU mit der Angst vor der Klimakatastrophe auszutreiben – diese Strategie scheint nur auf den ersten Blick brillant: Die Atomwirtschaft hat überhaupt nicht die Macht, das Weltklima entscheidend zu stabilisieren. Schon die Klima-Enquetekommission des Bundestages kam einstimmig zu dem Ergebnis, dass die Kernkraft keinen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten kann. Und das, obwohl in dieser Kommission ausgewiesene Befürworter der nuklearen Stromerzeugung aus CDU/CSU, FDP und Wissenschaft angehörten.

EnBW argumentiert, ein bestehendes AKW spare Kohlendioxid, wenn es länger läuft.

Das Gegenteil ist der Fall. Nur ein schneller Umbau des Energiesystems kann das Klima noch retten. Wir brauchen so schnell es geht drei grüne Säulen, die unsere Energieversorgung tragen: Einsparen, Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien. Quasi das Gegenteil der Atomenergie: Die ist eine höchst ineffiziente Form der Energiebereitstellung, weil sie über einen Wirkungsgrad von rund 30 Prozent nicht hinauskommt. Atomkraftwerke rechnen sich nur, wenn viel Energie verkauft wird. Klimaschutz verlangt aber das Gegenteil: hohe Wirkungsgrade und geringen Verbrauch.

Kritiker werfen der SPD eine konfuse Klima- und Energiepolitik vor: Mehr Klimaschutz, weniger Atomstrom, niedrigere Strompreise – das alles zusammen kann nicht funktionieren.

Doch. Zuletzt hat das Wirtschaftsministerium aufgezeigt, dass fast 60 Prozent des Stroms wirtschaftlich in Kraft-Wärme-Kopplung produziert werden könnten. Dadurch allein könnte Strom in der Menge von mehr als 30 Atomkraftwerken eingespart werden, wenn es zu einem Ausbau des Fernwärmenetzes kommt. In Deutschland sind noch 17 Atomkraftwerke in Betrieb. Das Ministerium wird übrigens von einer Partei angeführt, die die Energiepolitik der SPD kritisiert.

Obwohl es eine Selbstverpflichtung der Industrie gibt, kommt die Kraft-Wärme-Kopplung nicht in Schwung. Wieso nicht?

Weil der Umbau der Energiewirtschaft keine technische Frage, sondern eine machtpolitische Auseinandersetzung ist. Die Großkonzerne verdienen viel Geld mit abgeschriebenen Atommeilern. Sie wollen nicht von den Monopolstrukturen lassen. Eine Energiewende ist dagegen die Chance für Newcomer. Genau das soll verhindert werden.

Nun wollen sich aber zwei dieser Großkonzerne von Ihnen die Laufzeiten verlängern lassen. Wie werden Sie entscheiden?

Natürlich nicht nach Gutdünken. Unsere Fachabteilung prüft gewissenhaft. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der RWE-Antrag auf Weiterbetrieb von Biblis A positiv beschieden wird. Deutschlands ältester Reaktor hat einfach zu große Sicherheitslücken.

Die Reststrommenge, die vom Atomkonsens Biblis A zugebilligt wurde, ist in wenigen Wochen abgelaufen. Wann geben Sie das Ergebnis Ihrer Prüfung bekannt?

Wegen technischer Probleme ist das Atomkraftwerk Biblis derzeit stillgelegt. Es muss mal wieder nachgerüstet werden. Wir haben also noch etwas Zeit.