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Archiv-Artikel

Es war einmal …

Der Ruhm des Spiegel wäre nicht begründet worden ohne die Fülle der Skandale, die die Bundesrepublik beschäftigten – vor allem ihr Establishment. Im Zweifelsfall galt das Magazin mindestens als Ärgernis vom Wochenende, weil durch Vorabmeldungen die Rechercheresultate aus der neuesten Ausgabe publik worden – und im besten Fall als Einrichtung, die öffentlich machte, was Großkopferte lieber verheimlicht hätten. Hier die wichtigsten Enthüllungen.

Die Flickaffäre bezeichnet in den Achtzigerjahren verdeckte Parteispenden des Flickkonzerns zur „Pflege der Bonner Landschaft“ (Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch). Durch diese „Pflege“ sollten Steuern gespart werden. 1975 hatte Flick Aktien der Daimler-Benz AG im Wert von rund zwei Milliarden Mark an die Deutsche Bank verkauft. Der Flick-Konzern beantragte beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium für dieses Geschäft die Steuerbefreiung nach Paragraf 6 b des Einkommensteuergesetztes für „volkswirtschaftlich förderungswürdige Reinvestitionen“.

Sowohl der damalige Wirtschaftsminister Hans Friderichs als auch sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff erteilten die Genehmigungen – Flick sparte so rund 986 Millionen Mark. 1981 jedoch fanden Steuerfahnder ein Kassenbuch des Flick-Generalbuchhalters Rudolf Diehl, in dem Bargeldzahlungen an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien verzeichnet waren – darunter auch Friderichs und Lambsdorff. Laut Flick-Manager von Brauchitsch („Wg. Kohl“) lediglich Parteispenden.

Die Neue Heimat war ein deutsches Wohnungsunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg, das dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehörte: Seit den Fünfzigerjahren hatte sie sich zu einem auch international operierenden Wohnungsunternehmen entwickelt. Im Februar 1982 erschien ein Bericht im Spiegel, in dem aufgedeckt wurde, dass sich mehrere Vorstandsmitglieder unter der Führung des Vorsitzenden Albert Vietor persönlich und zum Teil auch direkt an den Mietern bereichert hatten.

Die Barschel-Affäre, benannt nach dem damaligen Ministerpräsidenten Schleswig Holsteins, Uwe Barschel (CDU), gilt als einer der größten Skandale der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte: Uwe Barschel hatte angeblich während des Wahlkampfes zum Landtag in Schleswig-Holstein 1987 seinen Gegenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Björn Engholm (SPD), privat bespitzeln lassen – dies behauptete Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer gegenüber dem Spiegel. Barschel reagierte auf die Spiegel-Veröffentlichung kurz vor der Landtagswahl 1987 mit einem „Ehrenwort“, das seine Unschuld beteuern sollte, trat aber dennoch am 2. Oktober jenes Jahres zurück. Wenig später wurde er unter mysteriösen Umständen in der Badewanne eines Hotelzimmers in Genf tot aufgefunden.

Als seinen „verheerendsten Fehler“ betrachtet der Journalist Hans Leyendecker, heute bei der Süddeutschen, seine Spiegel-Titelgeschichte von 1993 zur angeblichen Hinrichtung des RAF-Terroristen Wolfgang Grams in Bad Kleinen. Unter Berufung auf die Aussage eines an dem GSG-9-Einsatzes beteiligten Antiterrorspezialisten hatte der Spiegel gemeldet, ein Beamter der Sondereinheit habe den bereits überwältigten Grams per Kopfschuss aus nächster Nähe getötet. Eine Aussage, die sich später nicht verifizieren ließ. MARTIN REICHERT