: Familienbande
Der Spiegel ist nicht nur ein Hamburger Magazin – sondern ein regelrechtes Medienimperium. Der Spiegel erscheint in der Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG. 1974 übertrug Spiegel-Gründer und Herausgeber Rudolf Augstein (1923 bis 2002) die Hälfte der Verlagsanteile an die Spiegel-MitarbeiterInnen und behielt selbst nur eine sogenannte Sperrminorität von 25,1 Prozent der Anteile, die ihm über seine Rolle als Chefredakteur und Herausgeber hinaus auch gesellschaftsrechtlich quasi ein Vetorecht in allen entscheidenden Fragen zusprach. Die restlichen Spiegel-Anteile liegen seit 1971 bei der Verlagsholding Gruner + Jahr (Stern, Brigitte, Geo). Sie gehört mehrheitlich der Bertelsmann AG, Deutschlands größtem Medienkonzern.
Da Augstein per Testament verfügte, dass seine Erben anders als er selbst keine Sperrminorität im Verlag behalten sollten, müssen seine Kinder das eine, ihr Vetorecht sichernde Anteilsprozent 2003 jeweils hälftig an die beiden anderen Gesellschafter abgeben. Seit Augsteins Tod hat der Einfluss von Gruner + Jahr wie der der Mitarbeiter-Beteiligungs-KG also noch zugenommen. Zwei von Augsteins vier Kindern setzen sich erbittert gegen diese Auflage zur Wehr. Franziska, 42, Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung, und Jakob, 39, Zeit-Autor und Leiter des Verlags Rogner & Bernhard, versuchen vergeblich, die Entmachtung der Familie zu verhindern.
Bereits seit 1970 gehört das Manager Magazin mehrheitlich zum Spiegel-Reich, Partner ist hier wie beim Hauptblatt Gruner + Jahr. In der Manager Magazin Verlagsgesellschaft erscheint auch das Fachblatt Harvard Businessmanager.
Am 18. Januar 1993 kommt es aus Spiegel-Sicht zum Sündenfall. Erstmals erscheint in Deutschland ein zweites sogenanntes Nachrichtenmagazin: Focus, lang gehegter Traum des Bunte-Verlegers Hubert Burda. Der neue Titel ist klar konservativ positioniert. Die Auflage des Spiegel bricht zunächst um ein Zehntel ein, die Zahl der verkauften Anzeigenseiten geht gar um zwölf Prozent zurück.
Der Spiegel antwortet mit Zusatzangeboten und Magazinablegern: Das bislang unregelmäßig erscheinende, monothematische Spiegel Spezial kommt ab 1994 einmal im Monat heraus. Ein Jahr später führt der Spiegel den wöchentlichen Kultur Spiegel ein. Diese Beilage geht exklusiv an Spiegel-AbonnentInnen (aktuell rund 450.000). Die Deutungshoheit, die der Spiegel in Sachen Politik und Gesellschaft stets für sich beansprucht, findet sich auch hier wieder: „In der vielfältigen Kulturszene schafft der Kulturspiegel (…) Übersicht und beschreibt, was und wer wirklich interessant ist und welches Ereignis tatsächlich so aufregend wird, wie seine Macher behaupten“, heißt es in einer Selbstdarstellung.
Zudem orientiert sich der Spiegel immer stärker an der erfolgreichen Focus-Masche, mit Servicethemen (Gesundheit, Religion, persönliche Finanzen u. a.) auf dem Titel den Verkauf anzukurbeln.
1998 erscheint schließlich das bislang neueste Printprodukt der Spiegel-Familie. Der kostenlose Uni-Spiegel wendet sich vor allem an Studierende und erscheint sechsmal im Jahr. Er ist vor allem Marketinginstrument und soll dem Hauptblatt neue LeserInnen zuführen. STEFFEN GRIMBERG