Wie Sand und Kies gemischt

HEIRATEN Warum Hexen Hochzeitsprofis sind, wie man der Liebe Flügel verleiht und wo man textsichere Trauredner findet, war im Charlottenburger Schloss zu erfahren bei der Premium-Messe für Vermählungsrituale

Die perfekt durchgeplanten Ehen halten auch nicht länger als die guten alten wilden

VON JENNI ZYLKA

Am Boden des rustikalen Taubenkorbs mit den gurrenden schneeweißen Vögeln ist eine Schublade. In ihr wird jenes Relikt, in das die Taube ihre Körnermahlzeit umgewandelt hat, unauffällig und schnell entsorgt. Und wenn die Tauben später, nach der Trauung, in die Luft flattern dürfen, erläutert eine sanft sächselnde Angestellte, hält man sie natürlich so, dass auch bei der Zeremonie selbst nichts passieren kann. Damit nicht etwa schmutzigweiße Flecken aufs bauschige, bodenlange Etwas tröpfeln und den Taft in Creme, seit Jahren die Trendfarbe von Brautkleidern, unangenehm verunglimpfen.

Man ist nämlich Profi, Hochzeitstaubenprofi: Unter dem Logo der Taubenzüchter aus Potsdam prangt der Slogan „Verleihen Sie Ihrer Liebe Flügel!“, und bei der Premium-Hochzeitsmesse im Seitenschiffs des Charlottenburger Schlosses, die am letzten Wochenende Verliebt-Verlobte locken wollte, kann man sogar ein Vögelschnäppchen machen. Ein Taubenpärchen gibt es als „Messeangebot“ schon für 25 Euro auszuleihen, ein ganz echt verliebtes, versteht sich, denn Tauben bleiben angeblich ein Leben lang zusammen. Das haben sie mit den Gänsen gemeinsam, deren fragwürdige Nachrede die Bratenlieferanten ansonsten vor einem Schicksal als Hochzeitsvogel bewahrt hat.

Die Messe, die nicht mit der umfangreichen, zweimal jährlich stattfindenden ICC-Hochzeitsmesse verwechselt werden möchte – da geht es um eine möglichst große Öffentlichkeit durch ein riesiges Angebot, hier um Exklusivität –, belegt ganze zwei Säle. In der Mitte steht eine blumengeschmückte Mercedes-Limo, an der Kopfwand ein Laufsteg, auf dem abwechselnd Musikacts auftreten oder Models in gerafften, bestickten Brautkleidern mit hartem Bustierteil promenieren. Ansonsten gibt es ein paar ausgewählte Kleidershops, Juweliere, Dekoideen und ganz am Ende, neben der kleinen Champagnerbar, die Hexe Elvira. Die verzeichnet während der beiden Messetage eine beeindruckende Vorhersehfrequenz – wer sich ewig binden will, prüft gern auf Haltbarkeit, praktisch, wenn das in den Karten liegt.

Die Johannisthaler Hexe und Hellseherin thront auf einem angemessenen, goldverzierten Thron, der Leib ist in einen kunstgestrickten Pullover gehüllt, auf den Augen und den langen, dunkel lackierten Nägeln glitzert es. Nachdem man die Karten von sechs Seiten begrüßt und angepustet hat, legt sie mit dem Legen los und sieht in ihren hübsch bedruckten Bildkarten allerorten wohlmeinende ältere Herren, glückliche Liebe, auch mal einen nicht näher zu definierenden Trauerfall oder eine Reise. Irgendwas stimmt bestimmt. Die bodenständige Hexe ist dabei nicht mal teuer: Je nachdem, was einem die freundliche Konversation wert ist, versenkt man seinen mehr oder minder großzügigen Obolus in einen Wunderlampensparschwein auf dem Tisch.

Das ist es also nicht, was den schönsten Tag extrem leicht auch zum teuersten machen kann. Aber es gibt kaum ein Feieraspekt, für den man nicht noch mehr hinblättern könnte: Hochzeitskartensets mit Mottos wie „Die Chemie stimmt“, die von der „Save the date“- bis zur Dankeskarte mit dem gleichen, einer chemischen Formel nachempfundenen Muster bedruckt wurden und sogar echte Reagenzgläschen (samt „Pergamenteinleger mit euren persönlichen Texten“) zum Verschicken anbieten, bei Abnahme von 72 Karten reduziert sich der Reagenzglaspreis auf schlappe 3,39 Euro Stückpreis. Oder das fremdgekaufte, gesprochene Wort: Die freien Trauredner Eva-Maria Pipirs und Andreas Hoedt kann man buchen, wenn man sonst keinem zuhören möchte, erst recht keinem Pfaffen, weil der vielleicht ungern Homos traut.

Das textsichere Pärchen kommt in dem Anlass angepassten Outfits, bringt nach Bedarf ein paar Rituale mit – Sand und kleine Steine werden in einem dritten Glas vermischt, als Symbol für die Verbindung der beiden Menschen, die dennoch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten behalten – und hilft der festlichen Stimmung auf die Sprünge. Die clevere Unternehmensidee, die es auch in anderen Städten gibt, ist garantiert Stoff für mindestens einen Hollywood-Film mit vorhersehbarem Happy End, bei dem sich die beiden konkurrierenden Trauredner langsam annähern.

Den Film über die „Hochzeitsplanerin“ – „The wedding planner“ mit Jennifer Lopez – gibt es ja bereits. Der dazugehörige Stand ist im anderen Hallenflügel: Die Mitarbeiterin der Agentur „Lucia Sposa“ nimmt dem vielbeschäftigten oder meinungslosen Pärchen gegen deftig Bares oder Scheck die gesamte Eventplanung ab und berät und hilft bei Deko-, Orts- und Kleidungsfragen.

Aber auch die fortschreitende Eventisierung einer Hochzeitsfeier hat selbstredend nichts mit dem Ereignis an sich zu tun. Die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik sind angesichts der Ringfinger-Rauf-oder-Runter-Trends für Eheschließungen nicht ganz eindeutig: Mehr Eheschließungen, mehr Scheidungen, mehr eingetragene Partnerschaften, mehr Alleinerziehende. Sicher ist nur, dass für teures Geld geschlossene und perfekt durchgeplante Ehen auch nicht länger oder kürzer halten als die guten alten wilden.