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Archiv-Artikel

Ärzte und Politik gegen Giftexport

TODESSPRITZE Nach Bundesgesundheitsminister Rösler fordert auch die Bundesärztekammer von der Pharmaindustrie, den USA keine Betäubungsmittel zu liefern, die für Hinrichtungen verwendet werden

BERLIN afp | In einem Appell an die deutsche Pharmaindustrie haben Politik und Ärzteschaft gefordert, den USA keine für Hinrichtungen verwendbaren Betäubungsmittel zu liefern. Nach Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mahnte am Montag auch der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, die Pharmaindustrie, „ethisches Gewissen zu zeigen und die Hinrichtungen zu boykottieren“.

Rösler hatte zuvor in einem Schreiben an die deutschen Pharmafirmen und den Großhandel ebenfalls für einen Boykott geworben. Darin warnte er vor einer „missbräuchlichen Verwendung“ des Betäubungsmittels Thiopental-Natrium und forderte die Hersteller auf, entsprechenden Lieferungsersuchen aus den USA „nicht zu entsprechen“. Rösler verwies auf entsprechende Grundsatzentscheidungen in Deutschland und auf europäischer Ebene gegen die Todesstrafe.

Das Betäubungsmittel Thiopental-Natrium ist ein Bestandteil der Giftmischung, die in den USA für Hinrichtungen verwendet wird. Die USA haben seit mehreren Monaten Schwierigkeiten, das Mittel zu produzieren. Da Thiopental in den USA bisher das einzige für Hinrichtungen zugelassene Mittel ist, musste bereits in mehreren Fällen die Vollstreckung der Todesstrafe aufgeschoben werden. Wie aus Röslers Schreiben hervorgeht, liegen Hinweise auf die Anforderung von Thiopental durch die USA in Großbritannien vor.

Durch einen Lieferboykott könnte die deutsche Pharmaindustrie laut Ärztevertreter Montgomery zeigen, „dass sie sich den Menschen und nicht den Absatzmärkten verpflichtet fühlt“. Ulrike Flach, FDP-Gesundheitsministerin im Bundestag, erklärte am Montag, die deutsche Pharmaindustrie setze auf die Herstellung von Arzneimitteln, nicht auf den Export von „Hinrichtungsgift“.

Das Gesundheitsministerium sieht nach eigenen Angaben allerdings keine Möglichkeit, die Ausfuhr von Thiopental rechtlich zu unterbinden. Ein Ministeriumssprecher sagte am Montag, über das Arzneimittelrecht könne solch ein Ausfuhrverbot nicht geregelt werden. Dies wäre nur über entsprechende Regelungen im Außenhandelsgesetz möglich, das in die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums falle.

In Deutschland wird Thiopental-Natrium als Pulver zur Herstellung von Injektionslösungen produziert und vor allem als Narkosemittel bei Operationen verwendet.