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Archiv-Artikel

Der Galgen steht

VON INGA ROGG

Saddam Hussein hat die Iraker während seiner 24-jährigen brutalen Diktatur entzweit, und er tut es bis zu seinem Tod. Nachdem die Berufungsinstanz am irakischen Sondertribunal das Todesurteil gegen Saddam und zwei weitere Angeklagte bestätigt hat, ist innerhalb der Regierung offenbar ein Streit über die Vollstreckung der Hinrichtung entbrannt.

Das Todesurteil, das in der ersten Instanz am 5. November wegen des Mordes an 148 Schiiten in Dudschail verhängt worden war, werde nicht revidiert und es werde auch keine Verschiebung seiner Vollstreckung geben, sagte der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki am Freitag laut dem irakischen Staatssender al-Irakija. Maliki habe dies im Gespräch mit Angehörigen von Opfern von Saddams Gewaltherrschaft gesagt, bestätigte ein Vertrauter von Maliki. Wer sich gegen die Exekution stemme, verletze „die Würde der Märtyrer des Iraks“, habe Maliki gesagt.

Damit hat Maliki die Spekulationen angeheizt, Saddam Hussein, sein Halbbruder Barsan Ibrahim Hassan und Awad al-Bandar, der ehemalige Chef des berüchtigten Revolutionsgerichtshof, könnten noch am Vorabend des islamischen Opferfestes hingerichtet werden. Ein solches „Geschenk an die Iraker“ hatte der radikale schiitische Prediger und Milizenchef Moktada as-Sadr gefordert. Das dreitägige Opferfest, das den Höhepunkt der Wallfahrt nach Mekka markiert, beginnt für die Sunniten am Samstag und für die Schiiten am Sonntag. Hohe Feiertage sind im Islam normalerweise eine Gelegenheit für die Herrscher, Gnade walten zu lassen. Aus Malikis Büro hieß es denn auch, dass eine Hinrichtung in den kommenden vier Tagen unwahrscheinlich sei.

Gemäß dem Statut des Irakischen Hohen Strafgerichts, wie das Sondertribunal offiziell heißt, muss die Todesstrafe binnen 30 Tagen vollzogen werden. Aus dem Justizministerium heißt es aber, diese Frist gelte nur für die Unterzeichnung durch den Präsidenten und seine beiden Stellvertreter.

Da Saddam und seine Getreuen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurden, kann der Präsdialrat indes keine Amnestie aussprechen. Präsident Dschalal Talabani, ein Kurde, hat mehrfach angekündigt, dass er das Todesurteil nicht unterzeichnen und diese Aufgabe seinem schiitischen Stellvertreter Adil Abdul Mehdi übertragen werde. Von kurdischer Seite drängt man zudem auf den Abschluss des derzeit laufenden Anfal-Verfahrens, in dem sich Saddam und seine Getreuen wegen Völkermordes an den Kurden verantworten müssen.

Wie wird sich aber Talabanis sunnitischer Vize Tarik al-Haschemi verhalten? Haschemi könnte die Unterzeichnung leicht das Ansehen unter den Sunniten kosten; nicht weil diese dem Exdiktator besonders ergeben wären, sondern weil sie in dem ganzen Verfahren gegen die Schergen des früheren Regimes eine schiitische und amerikanische Verschwörung sehen. In diese Kerbe hieb auch Saddam mit seinem „Abschiedsbrief“, in dem er sich selbst zum Märtyrer stilisierte und in den typischen Phrasen, die er auch während der Verhandlungen benutzte, die Iraker zum Widerstand aufrief. „Richtet euer Schwert gegen die Invasoren“, schrieb Saddam. „Lang lebe der Dschihad.“ Anhänger seiner Baath-Partei drohten im Fall der Urteilsvollstreckung mit vermehrten Anschlägen.

Unterdessen haben die Amerikaner Saddams Anwälte aufgefordert, dessen persönlichen Besitz in Empfang zu nehmen. Während einige Kabinettsmitglieder erklärten, sie rechnen nicht mit der Hinrichtung vor dem 7. Januar, rieten andere den Berichterstattern in Bagdad, auf alles gefasst zu sein. Während bis vor wenigen Tagen in Bagdad noch spekuliert wurde, die Schiiten könnten aus der Hinrichtung ein Volksspektakel machen, erklärte der nationale Sicherheitsberater Mowaffak al-Rubaie, dass Saddam unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehängt werde. Der Galgen stehe bereits, heißt es aus Bagdad.