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Ende des Schuldenmachens

FINANZEN Der Senat beschließt ersten Haushalt nach kaufmännischer Rechnungslegung. Das soll ein realistischeres Bild der Lage vermitteln. Ab 2017 werden Schulden getilgt – wenn die Konjunktur mitspielt

Straßen und Gebäude müssen abgeschrieben werden, das Vermögen verringert sich laufend

Heute ist Premiere: Wie Finanzsenator Peter Tschentscher angekündigt hat, wird der Senat zum ersten Mal einen Haushalt beschließen, der vollständig nach den Grundsätzen der kaufmännischen Rechnungslegung aufgestellt ist. Er soll die wirtschaftliche Lage der Stadt realistischer darstellen als die bisherige „kamerale“ Rechnungslegung. Hamburg wäre nach Hessen das zweite Bundesland, das diesen Schritt geht. Wenn die Konjunktur weiter brummt, glaubt Tschentscher zudem zwei Jahre früher als geplant keine Schulden mehr machen zu müssen.

Die kaufmännische Rechnungslegung für die Verwaltung – „Doppik“ – hat Tschentscher zufolge zwei Vorteile gegenüber dem alten Verfahren: Zum einen berücksichtigt sie bei jeder Entscheidung, welche zukünftigen Belastungen sich daraus ergeben. Stellt die Stadt etwa Lehrer ein, veranschlagt sie Pensionszahlungen gleich mit, für die heute Rückstellungen gebildet werden müssen.

Zum anderen berücksichtigt diese Buchführung, dass sich Straßen, Brücken und Gebäude verbrauchen. Sie müssen abgeschrieben werden, so dass sich das städtische Vermögen laufend verringert. Sind etwa Häuser älter als 50 Jahre, werden sie mit null Euro veranschlagt und müssen ersetzt werden – theoretisch, aber vielleicht auch praktisch. Weil ihr Marktwert aber möglicherweise höher liegt, könnte das beim jeweiligen Senat Begehrlichkeiten wecken, diese „stille Reserve“ zu heben: die Gebäude zu verkaufen.

Mit dem neuen Rechnungswesen wird die Stadt erstmals sämtliche Buchungen elektronisch erfassen und so einen Gesamtüberblick erhalten. Alle Papierrechnungen werden gescannt und an zentraler Stelle verbucht. Tschentscher geht davon aus, dass bei der kaufmännischen Rechnung unterm Strich ein Verlust von mehr als einer Milliarde Euro stehen wird.

Nach der alten Rechnung, auf die sich die ab 2019 vereinbarte Schuldenbremse bezieht, sehe es dagegen besser aus. So gerechnet könnten die Einnahmen die Ausgaben bereits ab 2017 übersteigen und Schulden getilgt werden. FDP und CDU forderten, angesichts der guten Konjunktur solle der Senat schon jetzt keine neuen Schulden mehr machen. Das wiederum befand die Linksfraktion für unmöglich – es sei denn, der Senat lege bei den Einnahmen zu.  KNÖ

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