: „Eine zynische Note“
MIGRANTEN-MEDIZIN II Den Niedersächsischen Integrationspreis kritisieren ausgerechnet zwei der diesjährigen Preisträger: Der Staat schaffe ein Problem – und belohne diejenigen, die es angingen
Das Medinetz Hannover und die Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen haben den Niedersächsischen Integrationspreis scharf kritisiert. Die beiden Vereine gehören zu den Gewinnern der auf insgesamt 30.000 Euro dotierten Auszeichnung. Sie unterstützen unter anderem Flüchtlinge, die ohne Papiere in Deutschland leben und medizinische Hilfe brauchen.
„Politische Lösung fehlt“
Die beiden Preisträger bemängeln, dass die Landesregierung einerseits eine medizinische Versorgungslücke schaffe – anderseits aber Organisationen auszeichnet, die versuchten, eben jene Lücke zu schließen. „Es gibt Schätzungen, die gehen von bis zu 500.000 Menschen bundesweit aus, die keine Gesundheitsversorgung haben“, so Clara Niemayer, Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen. Weil eine politische Lösung fehle, „müssen wir eine Arbeit machen, die nicht unsere ist“. Da trage der Preis „eine ironische bis zynische Note“.
In der Niedersächsischen Staatskanzlei sieht man das anders: „Der Preis ist nicht zynisch gemeint“, sagt Olaf Reichert, stellvertretender Regierungssprecher. Die beiden Vereine hätten den Preis schließlich angenommen – „jetzt müssen sie mit dem Lob auch umgehen“. Sicher, es gebe im politischen Bereich Dinge, die verbesserungswürdig seien, so Reichert: „Wir arbeiten aber daran!“
Das räumt auch Niemayer ein: Man stehe derzeit im Kontakt mit der Landesregierung und hoffe, dass diese den anonymen Krankenschein beschließe (siehe Text oben). Dann könnten auch Papierlose ohne Angst regulär ärztlich versorgt werden.
Insgesamt laufe aber noch zu viel schief. Das hätten zwei drastische Fälle aus dem Frühjahr gezeigt. So wurde im März ein Flüchtling abgeschoben, der sich nach einem Selbstmordversuch in einer psychiatrischen Klinik in Göttingen befand. Und in Hannover soll sich im April Krankenhauspersonal geweigert haben, ein schwer krankes Baby zu behandeln. Grund war offenbar, dass die aus Ghana stammende Mutter keinen Krankenschein hatte.
Anwärter abgeschoben
Der Niedersächsische Integrationspreis wurde in diesem Jahr zum sechsten Mal vergeben – Motto: „Zuflucht Niedersachsen“. Bereits Ende März war Kritik laut geworden: Da war einer der Anwärter auf den Preis, Arnaud Touvoli, abgeschoben worden. Insgesamt wurden vier Organisationen und zwei Einzelpersonen ausgezeichnet, einen Sonderpreis erhielt die Gemeinde Friedland (Kreis Göttingen), die für viele Flüchtlinge eine erste Anlaufstelle ist. JAKOB EPLER