Familie bleibt getrennt

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann will mit allen Mitteln verhindern, dass eine abgeschobene Frau zu ihrer Familie in den Kreis Hildesheim zurückkehrt. Dabei hat das Verwaltungsgericht Hannover die Rückkehr gefordert

Unterstützer sprechen von einem „humanitären Drama“. Für Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist es ein „Präzedenzfall“, der einer höchstrichterlichen Klärung bedarf: Vor zwei Jahren wurde die schwangere Gazale Salame mit ihrer kleinen Tochter vom Kreis Hildesheim in die Türkei abgeschoben. Ehemann Ahmed Siala und zwei weitere Töchter blieben in Deutschland – sie kämpfen dafür, dass ihre Frau und Mutter zu ihnen zurückkehren kann. Doch genau das will Schünemann verhindern.

Der Landkreis hatte die Abschiebung damit begründet, Salame habe bei ihrer Einreise nach Deutschland – sie war damals sieben Jahre alt – falsche Angaben über ihre Identität gemacht. Die Familien Salame und Siala gehören zu den Mahalmi, einer den Kurden verwandten Volksgruppe, die seit den 1920er Jahren aus der Türkei in den Libanon auswanderte. Als dort der Bürgerkrieg begann, flohen viele Mahalmi nach Deutschland und erhielten als „staatenlose Kurden“ ein befristetes Aufenthaltsrecht.

Der Kreis Hildesheim fand heraus, dass Salames Eltern noch in der Türkei registriert waren. Eine türkische Abstammung Ahmed Sialas konnte die Behörde aber nicht beweisen. Im Juni 2006 entschied das Verwaltungsgericht Hannover, dass alle Täuschungsvorwürfe gegen ihn unhaltbar sind und die Abschiebung seiner Frau unrechtmäßig war. Die damalige Hildesheimer Landrätin Ingrid Baule sprach sich für eine schnelle Rückkehr Salames und der beiden Kinder aus. Doch Schünemann wies den Landkreis an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Er sei weder „eiskalt“ noch „erbarmungslos“, aber er müsse „eine rechtsstaatliche Lösung umsetzen“, erklärte der Minister.

Dabei hielt das Verwaltungsgericht eine Rückkehr Salames inzwischen auch verfassungsrechtlich für geboten. Der inzwischen 15 Monate alte Ghazi habe seinen Vater noch nie gesehen, eine so lange Trennung sei nicht mehr mit dem grundgesetzlich garantierten Schutz der Familie vereinbar.

Anstatt diesem richterlichen Hinweis zu folgen, bat der neue Landrat Reiner Wegner den Innenminister um eine Stellungnahme. Ein Aufenthaltsrecht für Gazale oder ihre Kinder komme „nicht in Betracht“, ließ dieser wissen. Siala habe „jederzeit die uneingeschränkte Möglichkeit“, in die Türkei auszureisen und die Beziehung zu seinen Kindern dort zu pflegen.

Am 30. November 2006 verpflichtete das Verwaltungsgericht Hannover den Landkreis, Salame und ihren Kindern die Einreise zu ermöglichen und ihnen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Auch dagegen legte die Behörde auf Weisung des Innenministeriums Beschwerde ein. Die Anwältin der Familie hat gegen den Kreis ein Zwangsgeld von 15.000 Euro beantragt.

Ein Ende der juristischen Auseinandersetzungen um das Schicksal der Familie ist nicht abzusehen. Gazale Salame und ihre kleinen Kinder müssen weiter in Izmir bleiben. „Sie ist sehr verzweifelt“, berichtete zu Weihnachten der Niedersächsische Flüchtlingsrat. Reimar Paul