: Der Bischof der Unbequemen
Vielleicht hätte es das alles ohne ihn nicht gegeben: die indigene Guerilla, die bewaffnete Rebellion, die autonomen Gemeinden. Zumindest seine Gegner warfen dem Bischof Samuel Ruíz García vor, er habe den Aufstand des Zapatistischen Befreiungsheers EZLN im südmexikanischen Chiapas gefördert. Außer Frage steht: Lange bevor die Rebellen 1994 mit ihrer militärischen Erhebung auf sich aufmerksam machten, setzte sich Mexikos wichtigster kirchlicher Menschenrechtsverteidiger wie kein anderer für die Indigenen ein. In der mexikanischen Hauptstadt ist „Don Samuel“ am Montag im Alter von 86 Jahren gestorben.
40 Jahre lang war er in dem Bundesstaat als Bischof tätig. Nach seiner Emeritierung zog er 2000 nach Mexiko-Stadt, wo er das einflussreiche Menschenrechtszentrum Serapaz leitete. Ob er von dem Aufstand vorab gewusst habe? „Die Rebellion war kein Mysterium“, antwortetet er 2003 auf Fragen der taz. Und lachte.
Als er 1959 die Diözese in der Provinzhauptstadt San Cristóbal de las Casas übernahm, war er noch konservativ orientiert. Doch zunehmend beschäftigte ihn die Armut und Rechtlosigkeit der indigenen Bevölkerung, bereits 1974 initiierte er einen ersten Indigena-Kongress mit dem Titel: „Der Boden gehört denen, die ihn bearbeiten.“ In dessen Folge entstanden zahlreiche indigene Organisationen, und Don Samuel musste miterleben, wie sich einige dieser Gruppen radikalisierten und sich später den Zapatisten anschlossen.
Nach dem Aufstand vermittelte er in den Friedensverhandlungen zwischen der EZLN und der Regierung. Aber wie die Rebellen kam auch er zu dem Schluss: Die Regierenden suchen keine Lösung, die den Indigenen ein Leben in Würde und ihre Rechte zugesteht.
Don Samuel hatte immer Ärger mit den Autoritäten. Papst Johannes Paul II. versuchte mehr als einmal, Ruíz loszuwerden. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, stellte ihm der Vatikan den Weihbischof Raul Vega zur Seite. Doch der solidarisierte sich schnell mit Don Samuel. „Er hinterlässt uns als Erbe die Hoffnung auf eine andere Welt,“ sagte Vega am Montag.
WOLF-DIETER VOGEL