Schlimme Zahlen eines Krieges

Viele sterben, noch mehr werden verletzt. Wie viele GIs als psychische Wracks heimkehren, weiß keiner

BERLIN taz ■ 3.000 US-Soldaten im Irak sind gestorben, über 22.000 sind verletzt aus dem Irak zurückgekehrt – und noch viel mehr der inzwischen rund eine Million Irakkriegsveteranen in den USA leiden unter PTSD, der „Posttraumatischen Belastungsstörung“, wie es im Medizinerdeutsch heißt.

Die Veteranenverbände und die US-Behörde für Veteranenangelegenheiten kennen das Problem. Viele Broschüren und Merkblätter haben sie inzwischen herausgegeben, um rückkehrende Militärs und ihre Familienangehörigen darauf vorzubereiten, dass die Kriegserfahrungen die Menschen verändert hat. „Die Tage und Wochen nach ihrer Rückkehr werden ein Übergang sein. Während dieser Zeit beschreiben Militärangehörige oft eine Bandbreite von Gefühlen von Aufregung bis Entspannung, von Stress, Anspannung oder Sorgen. [...] Sie fühlen sich vielleicht auch distanziert, uninteressiert oder überkritisch und ungeduldig mit anderen,“ heißt es in einer Broschüre des „National Center for PTSD“. Für Arbeitgeber und Familien von Militärangehörigen ist das eine Bürde – nicht alle kommen damit zurecht. Veteranenverbände klagen über Arbeitslosigkeit von Exsoldaten, Familien gehen in die Brüche.

In Internetforen beschreiben hilfesuchende Veteranen die Symptome und wie es ihnen ergangen ist: Sergeant Rob Goodall schreibt Ende November vergangenen Jahres: „Hey Soldat. Viele von uns sind mit großem Gepäck nach Hause gekommen. [...] Als ich am 6. April 2004 nach Hause kam, fing eine Abwärtsspirale an, die mich fast in den Knast und in die Scheidung getrieben hätte. Als ich heimkam, dachte ich: Ha, PTSD, ich bin ein starker Mann, ich komm damit klar. Dann geriet ich in Kneipenschlägereien, brachte fast jemanden um. [...] Ich stritt mich jeden Tag mit meiner Frau. Schließlich merkte ich: „Verdammt!“ Etwas muss sich ändern, ich musste mich ändern. [...] Lass dir gesagt sein, mein Bruder, such dir Hilfe. Selbst der stärkste Mann kann es mit der Welt nicht allein aufnehmen.“

Dabei sind genaue Zahlen, wie viele Veteranen unter PTSD leiden, schwer einzuschätzen. Von rund 18 Prozent aller Irakveteranen geht das National Center for PTSD noch im November 2005 aus – die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen, und in der verschärften Situation im Irak 2006 werden noch mehr Soldaten Angriffe, Hinterhalte und Situationen erlebt haben, die sie nicht mehr loslassen und die sie mit ihrer Umwelt nicht diskutieren können oder wollen. „Ich erzählte meiner Frau einige der Dinge, die im Irak geschehen waren, nachdem sie mich ständig dazu ermuntert hatte. Nach ein paar Erzählungen hatte sie einen schockierten Gesichtsausdruck und sah mich an, nein, behandelte mich noch monatelang wie ein Monster. Ich schwor mir, nie mehr zu jemand anderem als zu Waffenbrüdern und -schwestern über meine Erfahrungen zu sprechen“, schreibt ein „WOXOF2“ in einem Internetforum.

Soldaten, die zum zweiten, dritten oder gar vierten Mal im Irak stationiert waren – und das sind in diesem nach dem Vietnamkrieg inzwischen längsten Krieg in der neueren US-Geschichte nicht wenige – haben noch größere Schwierigkeiten, mit der Situation wieder zu Hause fertig zu werden. Die Zahl der Veteranen steigt so beständig wie die Todesziffern. Der Irakkrieg, wie und wann immer er endet, wird die US-Gesellschaft noch lange beschäftigen.

BERND PICKERT