„Aus heutiger Sicht ein Fehler“

ERMITTLUNGEN Das Hamburger NSU-Opfer Süleyman Tasköprü wird heute geehrt – durch ein Stück Straße. Bei den Hinterbliebenen halten sich derweil Zweifel am damaligen Vorgehen der Behörden

Ab heute erinnert eine Straße an Süleyman Tasköprü. Genauer: Ein Stück einer Straße, noch dazu in einem Gewerbegebiet, wird Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler heute Vormittag umbenennen: aus der „Kohlentwiete“ wird die „Tasköprüstraße“ – nach dem Mann, der am 27. Juni 2001 von den Rechtsextremisten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) im Laden seines Vaters in der Schützenstraße in Bahrenfeld erschossen wurde.

Mit der Umbenennung will das Bezirksparlament von Hamburg-Altona ein Zeichen setzen gegen rechten Terror. In der Nähe des Tatorts – dem Gemüseladen von Tasköprüs Vater – war Ende 2012 bereits ein Gedenkstein aufgestellt worden.

Bei den Angehörigen, aber auch in der Hamburger Linkspartei halten sich derweil Zweifel: Hätten die Ermittler nicht schon lange vor der NSU-Entlarvung in dessen Richtung ermitteln müssen? Wurden Spuren in Richtung der rechtsextremen Terrorzelle nicht verfolgt? „An der Elbe“, sagt Angela Wierig, die Anwältin von Tasköprüs Schwester Aysen, „hatten die Ermittlungen nur eine Richtung.“

Da war etwa dieses Phantombild: ein hellhäutiger junger Mann mit sehr kurzen Haaren. Erstellt worden war es nach der Ermordung Ismail Yasars 2005 in Nürnberg. „Diese Person hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer der Personen, die ich vor dem Geschäft wahrgenommen habe“, sagte dazu auch Tasköprüs Vater, als ihm im Oktober 2005, vier Jahre nach dem Tod seines Sohns, das Bild vorgelegt wurde. Insgesamt habe sich aus den damaligen Aussagen „keine weiteren Ansätze für Maßnahmen zur Identifizierung“ ergeben, schrieb der Hamburger Senat Ende April 2014 zum Thema NSU-Ermittlungen. Hätten sich diese „Ansätze“ aber vielleicht ergeben, wenn die Ermittler eine andere, frühere Aussage des Vaters ernst genommen hätten?

Immer wieder „Südländer“

Wenige Stunden nach dem Mord hatte er der Polizei von zwei Männern berichtet, die er beobachtet hatte: groß, schlank, 25 bis 30 Jahre alt – und „Deutsche“. Diese Spur wurde nicht verfolgt. In den Ermittlungsakten zu dem Mord von 2001, den der Generalbundesanwalt inzwischen dem NSU zuschreibt, fällt stattdessen immer wieder dieses Wort auf: „Südländer“.

„Insgesamt war es aus heutiger Sicht unstreitig ein Fehler, die Ermittlungen nicht stärker auf eine mögliche rechtsextremistische Motivation auszurichten“, heißt es in der Mitteilung des Hamburger Senats – weiter steht da aber auch, die Ermittlungen wären „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu keinem anderen Ergebnis“ gekommen.

Einen Tag vor dem 13. Jahrestag der Ermordung trägt also nun ein Straßenteilstück mit genau einem Anlieger den Namen des Ermordeten – nicht etwa der damalige Tatort. „Meine Mandantin hätte es schon sinnig gefunden, wenn zumindest das Teilstück, in dem ihr Bruder ermordet wurde, umbenannt worden wäre“, sagt Anwältin Wierig.  AS