Arbeiter fordern „Fleisch am Knochen“

Die IG Metall mischt beim insolventen Handyhersteller BenQ an allen Ecken mit: Bei der Transfergesellschaft und den Klagen gegen den früheren Besitzer Siemens. Die Mitarbeiter stehen täglich vor den Werkstoren

KAMP-LINTFORT taz ■ Der Vollmond steht noch über dem Werk, als das Leben am BenQ-Standort Kamp-Lintfort um sechs Uhr erwacht. Vereinzelt gehen Mitarbeiter ins Werk – an der Eingangstheke des Werks stehen etwa 20 von ihnen, die ihre Arbeitskraft anbieten. Sie wollen gegen den früheren Besitzer Siemens klagen, „weil Siemens uns nicht umfassend über die Bedingungen des Betriebsüberganges informiert hat“, sagt BenQ-Betriebsrat Michael Gerber, der selbst den Klageweg eingeschritten ist. Er rechnet mit mindestens 40 Klägern aus Kamp-Lintfort.

97 Prozent der BenQ-Mitarbeiter sind freiwillig in eine Transfergesellschaft gewechselt, die die IG-Metall für sie ausgehandelt hat. Die übrigen drei Prozent wollen nun klagen – ebenfalls mit Unterstützung der Gewerkschaft. Mitarbeiterin Yigit Hajat sagt: „Wir wollen kein Geld und keine Abfindung, sondern einen Job.“ Die Transfergesellschaft, das ist für sie keine Alternative: „Wir müssten auf alle unsere Rechte verzichten.“

Ähnlich sieht das auch die 29-jährige Semra Yilmaz: „Mein Mann ist arbeitslos, ich habe ein Kind, und ohne Arbeit ist es schwer. Für mich hätte es sich die Transfergesellschaft nicht gelohnt. Deshalb habe auch ich geklagt.“ Am 20. Januar hat sie ihren Termin am Weseler Arbeitsgericht.

Nachdem die Mitarbeiter an der Pforte abgewiesen wurden, geht es weiter zu Siemens nach Duisburg. Fast zwei Stunden warten die Kläger auf einen Vertreter aus der Personalabteilung. Ein Gespräch wird es aber erst heute um neun Uhr mit dem Personalchef von Siemens Duisburg geben.

Während die einen noch um einen Job bei Siemens kämpfen, betreten am Mittag Mitarbeiter wie die 52-jährige Elfriede Müller das Werk, um die Restaufträge abzuwickeln. Die produzierten Handys einzupacken, das ist ihr Job: „Mir fällt es schwer da reinzugehen. Ab liebsten hätte ich das nicht gemacht.“ Seit 33 Jahren arbeitet Müller dort. Ihr Kollege Hennig Hülsmann sieht es nüchterner: „Man muss halt da durch – noch ein Monat volles Gehalt und Prämie, dann Auffanggesellschaft. Ist schon ein komisches Gefühl.“ Hoffnung auf einen neuen Investor? „Da muss Fleisch am Knochen sein und der muss was anbieten können – ne Halbjahresnullnummer bringt nix, sagt Hülsmann.

Bis Redaktionsschluss war noch nicht klar, ob ein Investor tatsächlich noch ein Angebot machen kann. Gesamtbetriebsrat Michael Leucker zeigte sich zuversichtlich: „Wir haben noch Montagabend mit denen telefoniert, da kommt was.“ Insolvenzverwalter Martin Prager will heute Mittag neue Fakten bekannt geben. Möglicherweise werden auch sie ins Solidaritätszelt zu den Mitarbeitern übertragen.

ALEXANDER FLORIÉ