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Archiv-Artikel

Spaßspringer aus der Abtei

Andreas Küttel, Sieger des Neujahrsspringens, stammt aus Einsiedeln. Dort trainieren die finanziell nicht gerade üppig ausgestatteten Schweizer Skispringer auf modernen Schanzen – und im Kloster

AUS GARMISCH-PARTENKIRCHEN KATHRIN ZEILMANN

Einsiedeln in der Schweiz ist ein bekannter Wallfahrtsort, an dem eine schwarze Madonnenfigur als Gnadenbild verehrt wird. Benediktinermönche leben hier seit dem frühen Mittelalter in einem Kloster, das im Barock von den Brüdern Asam prächtig ausgestattet wurde. In Einsiedeln stehen aber auch moderne Skisprungschanzen und in Kooperation mit dem Kloster betreiben die Schweizer Skispringer ein Trainingszentrum. „Das Kloster ist uns ein guter Sponsor“, sagt Cheftrainer Berni Schödler. Denn die Springer können Räumlichkeiten im Kloster nutzen. Nachwuchsathleten haben die Möglichkeit, in den Bildungseinrichtungen der Abtei zur Schule zu gehen oder einen Beruf zu erlernen.

Andreas Küttel, der Sieger des Neujahrsspringens und Zweiter der Tournee-Gesamtwertung, kommt aus Einsiedeln. Sein Vater hat sich sehr für das Sprungzentrum engagiert. In Gesprächen mit dem 27-Jährigen fällt die Vokabel „Spaß“ ziemlich oft. Spaß müsse das Springen machen, und wenn er mit Spaß bei der Sache sei, stelle sich der Erfolg schon ein. Natürlich ist Skispringen nicht ganz so einfach. Auch Küttel hat schwierige Zeiten hinter sich, in denen die Sprünge früher endeten als geplant. Vielleicht hat ihn sein sonniges Gemüt über diese Phasen hinweggetragen. In der Vorsaison feierte er drei Weltcupsiege, danach unternahm er im Frühjahr eine lange USA-Reise. „Ich musste Abstand gewinnen, neue Erfahrungen und Eindrücke sammeln“, sagt er.

Das Schweizer Skispringen steht gut da. In Lillehammer Anfang Dezember feierte der wiedererstarkte Doppel-Olympiasieger von 2002, Simon Ammann, einen Weltcupsieg vor Küttel – der erste Schweizer Doppelerfolg überhaupt. „In Sachen professioneller Einstellung und konsequentem Training konnte ich viel von ihm lernen“, sagt Ammann über seinen Teamkollegen. Tatsächlich, sie verstehen sich gut, der „Simi“ und der „Andi“. Was für eine Harmonie: „Das ist nicht gespielt, wir haben eine tolle Atmosphäre im Team“, sagt Trainer Schödler.

Doch eitel Sonnenschein herrscht deswegen nicht in der Schweiz. Schödler muss wegen geringer finanzieller Mittel den Alleinunterhalter für seine Schützlinge spielen, er ist Cheftrainer, sein eigener Assistent, Chauffeur, Kameramann und Mentaltrainer in Personalunion. Trotz der Erfolge im Vorwinter hat der Schweizer Verband Swiss Ski das Budget der Skispringer im Vergleich zur vorigen Saison um 70.000 Franken oder knapp 10 Prozent gekürzt. Das ärgert Küttel. Er kann nicht verstehen, dass die erfolgreiche Arbeit nicht belohnt worden ist. Auch Schödler verhehlt den Ärger nicht, ebenso wenig sein Chef Gary Furrer, im Verband zuständig für die Skispringer: „Es gibt kein System, das sich an Leistung orientiert. Das ist das Problem.“

Aber jammern gilt nicht, haben Verantwortliche und Sportler beschlossen. „Es ist eine Herausforderung, der wir uns stellen“, sagt Furrer. Und Schödler behauptet: „Gut Ski zu springen, hat nichts mit Geld zu tun.“ Es ist ein kleiner Seitenhieb auf die mit üppigen finanziellen Mitteln ausgestatteten Deutschen, die Anfang 2004 zuletzt einen Weltcupsieg gefeiert hatten. Die finanziellen Zwänge seien auch nicht das einzige Problem, berichtet Schödler. Große Sorgen mache ihm der fehlende Nachwuchs. Es falle dem Verband schwer, Kinder für den Skisprungsport zu begeistern. „Und das Feuer muss runter zu den Vereinen, zu den Kindern“, fordert er – genauso übrigens wie sein deutscher Kollege Peter Rohwein, den ähnliche Probleme in Sachen Talentsuche plagen.

Dass in Einsiedeln mehrere Schanzen unterschiedlicher Größe errichtet worden sind, vereinfache das Training und spare Reisekosten zu Lehrgängen ein, sagt Schödler. Im Kloster könne die Mannschaft Kraftraum und Turnhalle des angeschlossenen Internats nutzen, einen Raum für Imitationsübungen hat die Abtei extra im Dachgeschoss eingerichtet. „Ein tolles Engagement des Klosters ist das“, findet Schödler. Auch könne man viel lernen von den Benediktinern, von ihrer Spiritualität, ihrer Art zu leben. „Inwieweit aber der Einzelne Kontakt sucht zu den Mönchen, ist ihm selbst überlassen.“ Im klösterlichen Sponsoring sind Gebete nicht inbegriffen.