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Archiv-Artikel

Den Realitäten ins Auge sehen

betr.: „Der falsche Traum. Ein Plädoyer für mehr Realismus in der Zypernfrage“, taz vom 19. 12. 06

Die Darstellung des Autors ermöglicht es, die Geschichte der Spaltung Zyperns noch einmal nachzuvollziehen. Seine Kritik am Annan-Plan, der von den Inselgriechen in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde, ist jedoch scheinheilig. Die Grundlage des Plans ist notgedrungen ein Kompromiss. Und in der Natur eines Kompromisses liegt die Notwendigkeit, dass sich beide Verhandlungspartner von ihren Maximalforderungen verabschieden müssen.

Alle Erwartungen beider Seiten können so selbstverständlich nicht erfüllt werden. Den Realitäten ins Auge sehen sollten nicht nur die EU-Staaten, die davon ausgehen, dass eine Einheit der Insel noch realisierbar ist, sondern vor allem die Inselgriechen selbst. Wenn sie an einer Wiedervereinigung mit dem türkischen Nordteil tatsächlich nicht interessiert sind, dann wäre es nur konsequent, Nordzypern als unabhängigen Staat anzuerkennen und die faktische Teilung der Insel auch formalrechtlich zu akzeptieren. Damit wäre ein Ende der internationalen Isolierung der türkischen Inselhälfte möglich. Im Gegenzug wird auch die Türkei bereit sein, die griechische Republik Zypern anzuerkennen und normale zwischenstaatliche Beziehungen mit ihr aufzunehmen. Das türkische Nordzypern könnte schließlich als selbstständiger Staat Mitglied der EU werden. Die Grenze, die Zypern teilt, würde in diesem Szenario zur EU-Binnengrenze und könnte auf lange Sicht erst wirtschaftlich und dann auch politisch ihre Bedeutung verlieren. HARTMUT GRAF, Hamburg