: Nichtssagende Statistik
betr.: „Gabenberge unterm Weihnachtsbaum“, „Weihnachten, ein Rollenspiel“,taz vom 23. 12. 06
Für 357 Euro werden in diesem Jahr Geschenke zu Weihnachten verschenkt. Je Kind. Was sagt denn diese Statistik?
Nun, dass im Durchschnitt … genau, Durchschnitt. Die eine Mutter schenkt für 1.000 Euro ihrem Kind zu Weihnachten, die andere Mutter schenkt nix. Das macht im Durchschnitt 500 Euro. Ein praktisches Beispiel: Entfernte Bekannte von mir, er im Aufsichtsrat eines großen Logistikkonzerns, sie Managerin eines großen anderen deutschen Konzerns, schenken der Tochter ein neues Auto zu Weihnachten. Es wurde ein VW Beagle für 25.000 Euro. Man kann es sich halt leisten. Siebzig andere Kinder können nix bekommen, weil die Eltern sich nichts leisten können oder wollen. Doch immer haben sie noch den Durchschnitt, nämlich 357 Euro, unter dem Tannenbaum.
Ich habe vor einigen Tagen in den „Tagesthemen“ einen Bericht über einen Hartz-IV-Weihnachtsmarkt in Berlin gesehen. Dort hin gingen einige Eltern mit ihren Kindern. Sie gingen dort hin, um 357 Euro für Geschenke auszugeben, wenn man der Statistik glauben will. Sie kauften Geschenke für 50 Cent pro Teil. Sie hätten, wenn es nach der Statistik gehen würde, 714 Teile für ihr Kind kaufen können. Daran ist ja eigentlich nichts Schlechtes, nicht wahr?
Merken wir eigentlich noch, wie viel- oder nichtssagend solche Statistiken sind? Mit ihnen wird nur schäbig Politik gemacht. Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Durchschnittlich erscheinen wir alle gleich. Tatsächlich bekommt aber nur ein Kind einen VW Beagle, die anderen 70 bekommen nix. Eintausendvierundfünfzig Mütter wurden befragt. Wie viele der Mütter konnten ihren Kindern nichts kaufen. Darüber sagt diese Statistik nichts.
REINHARD GOTTORF, Reinheim
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.