Die Energiewende ist bezahlbar

ERNEUERBARE Sachverständigenrat legt Konzept vor, wie die Stromversorgung bis 2050 zu 100 Prozent öko sein soll, und fordert drastische Deckelung des Solarstrom-Ausbaus

Erneuerbare Energien sollen auf jeden Fall weiter ausgebaut und gefördert werden

AUS BERLIN BERNHARD PÖTTER

Gestern war für den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) nicht der Tag, um sich im politischen Berlin neue Freunde zu machen. Der Rat stellte sein Gutachten „Wege zur 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung“ vor und erhob unbequeme Forderungen: Der Ausbau der Fotovoltaik, der 2010 noch bei etwa 8.000 Megawatt (MW) gelegen hatte, solle in diesem Jahr auf 1.000 MW begrenzt werden, erklärte Olav Hohmeyer, Energieökonom an der Uni Kiel. Und die Energiepolitik der Bundesregierung laufe mit der Verlängerung der AKW-Laufzeiten „komplett in die falsche Richtung“.

Die sieben Öko-Weisen hatten aber auch gute Nachrichten: Eine Stromversorgung, die sich vollständig auf erneuerbare Energien stützt, sei „langfristig realistisch und bezahlbar, wenn die Bundesregierung heute verlässliche Anreize setzt für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, der notwendigen Speicher und Netze“. Bis 2050 sei das gut möglich – wenn man sich anstrenge, sogar bis 2030.

Der Übergang zu diesem Zeitalter der Erneuerbaren, das mittelfristig deutlich billiger sei als das alte System fossiler Brennstoffe, gelinge auch „ohne Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke oder neue Kohlekraftwerke“, betonten die Wissenschaftler, ehe sie ihren Bericht Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) übergaben.

Der SRU berät die Bundesregierung seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik und ist mit Naturwissenschaftlern, Ökonomen, Politikwissenschaftlern und Juristen besetzt. Dem Rat ist in seinem aktuellen 650-seitigen Gutachten wichtig, das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) als „Erfolgsmodell mit internationaler Strahlkraft“ zu verteidigen. Keinesfalls solle das EEG auf EU-Ebene ausgeweitet und damit verwässert werden. Der Ausbau der Stromnetze könne durch bessere Planung schneller und im Konsens mit der Bevölkerung erreicht werden; als Speicher für die Windenergie sollten norwegische Pumpspeicherweke genutzt werden. Windparks vor der Küste sollten staatlich ausgeschrieben werden und zu „möglichst niedrigen, aber festen Vergütungssätzen“ ihren Strom absetzen können. Derzeit herrscht in der Branche Flaute: 2010 wurden nur 1.500 MW neu installiert, so der Bundesverband Windenergie. Mit neuen und mehr Windrädern wurde dennoch weniger Strom erzeugt als im Vorjahr – weil weniger Wind weht.

Vor allem aber, so Olav Hohmeyer, müsse die Förderung des Solarstroms stark reduziert werden. Vergangene Woche hatte sich das Bundesumweltministerium mit der Solarbranche auf eine weitere Reduzierung der Vergütung geeinigt, um den explosionsartigen Ausbau der Fotovoltaik und die damit einhergehenden Kosten zu stoppen. Für den SRU ist das nicht genug: Statt des erwarteten Zubaus von 3.000 bis 5.000 MW in diesem Jahr solle die Regierung die Förderung auf 1000 MW deckeln. „So erreichen wir unsere Ausbauziele und beschneiden den Wildwuchs“, sagte Hohmeyer. Ohne diesen harten Einschnitt könne sich die Ablehnung des EEG verstärken und womöglich das ganze Gesetz kippen.

Widerspruch gegen diese Forderung kam prompt vom Bundesverband Solarwirtschaft. „Ein starrer Marktdeckel würde den weiteren Ausbau der Fotovoltaik abwürgen und tausende Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland gefährden“, hieß es.

Info: www.umweltrat.de