: Trau keinem über dreißig
Punk ist nicht tot. Der Nietenkaiser wird dieses Jahr sogar 30. Das Film-Festival „1000 Jahre Punk“ gratuliert einen Monat lang mit Filmen aus drei Jahrzehnten, Partys, Konzerten und einer Ausstellung
Wer in sein dreißigstes Jahr geht, wacht eines Morgens auf und liegt plötzlich da, ohne sich erheben zu können, „getroffen von harten Lichtstrahlen und entblößt jeder Waffe und jeden Muts für den neuen Tag“. So zumindest sah es Ingeborg Bachmann Anfang der 60er. Ob sich die Einschätzung der Lyrikerin auf Punk übertragen lässt, ist indes fraglich. Zwar ist für jenen dieses Jahr ungefähr das dreißigste. Jeden Muts für den neuen Tag beraubt war die sympathisch nihilistische Jugendkultur allerdings schon von Beginn an. Lebendig ist sie trotzdem bis heute geblieben – zumindest „not dead“.
Grund genug, den Januar zum Jubiläumsmonat zu erklären und mit „1000 Jahre Punk“ ein ordentliches Punk-Filmfestival zu veranstalten. Eine ganze Reihe von Filmen aus drei Jahrzehnten haben das 3001-Kino und das B-Movie zusammengetragen. Da gibt es Klassiker wie „Eat The Rich“ und natürlich „The Great Rock’n’Roll Swindle“ genauso zu sehen wie Previews von neuen Filmen wie Larry Clarks „Wassup Rockers“. Außerdem eine Ausstellung, Konzerte und Partys.
Los geht das Festival heute Abend um 19 Uhr im B-Movie mit einem bunten Mix aus dreißig Jahren Punkrock. Zu sehen sind Clips und Konzertszenen – und wie sich das für ein ordentliches Punkfestival gehört, stehen natürlich alle auf der Gästeliste. Um 23 Uhr geht es beim gemütlichen Freibier im 3001 mit dem Punk-Filmklassiker „Humanes Töten“ von Trini Trimpop weiter – in dessen Anwesenheit. Das bizarre Zeitdokument der frühen 80er ist deutsches Undergroundkino in bester Punktradition nebst Schlachthausszenen und Sex mit Gummipuppen. Dazu gibt es den Kurzfilm „Die Schlacht in der Hasenheide“ über die Straßenkrawalle zwischen Poppern und Punks im Berlin der frühen 80er. Anschließend treffen sich alle im Komet in der Erichstraße 11 zur Opening Party mit DJs und Überraschungen.
Auf einem Punkfestival, das seinem Namen Ehre machen möchte, darf natürlich die APPD nicht fehlen. Deren ehemaliger Chef und Comicverleger Karl Nagel präsentiert am 15. Videos vom Parteitag, von den Chaos-Tagen in Hannover oder von Sponti-Aktionen in der Innenstadt. Das Motto der Gala lautet wie eh und je: „Arbeit ist scheiße“.
Lediglich 100 Jahre Punk umfasst die gleichnamige Retrospektive im Hinterconti, die vom 16. bis zum 23. zu sehen ist. Dreckig, humorlos und ohne Aussage wird sie sein, versprechen die Initiatoren mit den ordentlichen Punkernamen „Assel“ und „Stinker“. Bei der Auswahl der Fotos haben sie selbstverständlich keinen Wert auf Postillen wie Spiegel oder Focus gelegt, sondern sich auf das Wesentliche des Punks konzentriert. Ähnliches wird für das Begleitprogramm versprochen. Konzerte und Projektionen soll es geben und etwas weltweit Einmaliges wird zudem angekündigt: „Crap as in New York; Make your own CBGB-Toilet“. Was auch immer sich dahinter verbirgt.
Die lokale Hochburg des Punks ist am 18. im 3001 zu Gast. In der „Langen Nacht der Hafenstraße“ gibt es den Hafenstraßen-Film „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ von 1985/86 zu sehen. Im Vorprogramm zeigt die Crew vom Störtebeker Konzertvideos aus immerhin 20 Jahren.ROBERT MATTHIES