Die Bürger-Cops

Mit seiner Serie „Notruf Hafenkante“ (19.25 Uhr) will das ZDF endlich zum ARD-„Großstadtrevier“ aufschließen

Hinter dem Gebäude türmen sich die Büros der aufpolierten Hamburger Speicherstadt, das Polizeikommissariat 21 selbst aber sieht aus wie aus einer anderen Zeit: klein, verwittert und verwinkelt. Die Beamten, die hier Dienst schieben, passen gut in dieses architektonische Relikt. Sie tragen zwar die schicken nachtblauen Uniformen, die 2003 von Innensenator Schill beim Designer Luigi Colani in Auftrag gegeben worden sind, großstädtische Cop-Allüren und zeitgeistiges Effizienzgehabe aber sind ihnen fremd.

Kaum vorstellbar, dass diese Polizisten durch die Stadt ziehen, um schnöde die Quote an Strafzetteln zu erhöhen, so wie das gerade erst vor Weihnachten der Polizeipräsident zur Konsolidierung des Hamburger Haushalts gefordert hat. Stattdessen hält man auf dem Kommissariat 21 lieber Nähe zu den Bürgern.

In der heutigen Pilotfolge der neuen ZDF-Serie „Notruf Hafenkante“ (Regie: Jörg Schneider, Buch: Axel Hildebrand, Luci van Org, Astrid Ströher) wird ein streunender Hund eingefangen, ein Autodieb auf frischer Tat verfolgt und ein Junge eingesammelt, der aus Angst vor den strengen Eltern sein Zeugnis im Park abfackelt und dadurch fast einen Großbrand auslöst.

Wie brav hier A-, B- und C-Plot ausgerollt und miteinander verquickt werden, riecht das schon arg nach Drehbuchseminar. Aber was soll man machen, wenn man endlich auch beim Zweiten möglichst viel authentisches oder vermeintlich authentisches Hamburg in den Vorabend holen möchte? Nach dem fehlgeschlagenen Versuch mit der Spezialeinheit „M.E.T.R.O.“ soll endlich eine Serie ins ZDF, mit der sie der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen können. Schließlich läuft nächste Woche die 188. Folge des Hamburger ARD-Dauerbrenners „Großstadtrevier“, ein Abflauen des Publikumsinteresses ist nicht in Sicht.

Und man muss ja schon dankbar sein, dass es sich das ZDF nicht so einfach gemacht hat, einfach die x-te SOKO an der Hafenkante zu eröffnen – obwohl sich die neue Serie leider schauspieltechnisch ziemlich auf SOKO-Einheitsniveau bewegt.

Lediglich Marie-Lou Sellem („Marseille“) agiert mit gespenstischer Genauigkeit gegen das gemütliche Vorabendflair an. Als Ärztin in der Notaufnahme des benachbarten Hafenkrankenhauses untersucht sie den Jungen, der sein Zeugnis verbrannt hat, und stellt fest, dass er regelmäßig geschlagen wurde. Immerhin, das muss man anerkennen, verzichten die Macher der neuen Serie bei der Auflösung ihres A-Plots darauf, der Einfachheit halber den Fall Kevin fiktional aufzubereiten. Der Missbrauchskonflikt ist etwas komplizierter. Das zumindest schärft den Blick des Zuschauers, der hier ansonsten mit allzu gediegenen Hamburg-Impressionen eingelullt wird. CHRISTIAN BUSS