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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Da blinzelt der Kleinbürger

■ betr.: „Unbequeme Wahrheit: Die WM ist wirklich super!“,taz vom 25. 6. 14

Nietzsche würde unseren Fußball-Wahnsinn wohl so kommentieren: „‚Wir haben das Glück erfunden‘, sagen die letzten Menschen und blinzeln. […] Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume […] Kein Hirt und eine Herde. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen. Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht […]“ („Also sprach Zarathustra“). Die Kritik der großen antireligiösen Denker: Heute findet sie ihr sicheres Thema in der Banalität solcher Alltagsreligionen wie der des Profifußballs. Noch am einfachsten: Fußball als „Opium des Volkes“, präziser in der Lenin’schen Variante als „Opium für das Volk“, gedealt von der Fifa.

Als 18-Jähriger war ich verrückt genug, mir in Hamburg im Wechsel Spiele der ersten und zweiten Bundesliga anzusehen und mir die Seele aus dem Leib zu schreien. Diese Besessenheit wirkt bis heute nach. Noch beim unbedeutendsten Spiel nach Mitternacht bleibe ich vor der Übertragung hängen. Aber, es hilft nichts, das ist ziemlich krank! Da gibt es nichts schönzureden, wie es derzeit mit zunehmender infantiler Freude in der taz geschieht. Die Begeisterung für „Brot und Spiele“ als Ausweis von Volksnähe zu verklären, wie es etwa Andreas Behn in seiner Kolumne macht: da blinzelt der Kleinbürger, zu dessen Anwalt sich die taz meinem Gefühl nach immer stärker entwickelt. Und da bleibt dann tatsächlich nur noch, sich das Bier nachzuschenken und nachzurechnen, wie viele Tore diese oder jene Priestergruppe braucht, um den Kult weiter zelebrieren zu dürfen und „ganz“ nebenbei unter Berufung auf die brasilianische Freundin (etwas mehr Mut, Herr Behn, sich selbst an die kleinbürgerliche Stammtischfront zu wagen!) noch schnell über die dogmatische Linke abzulästern, die partout keinen Gefallen an diesem Spektakel finden will.

RAINER SÖMISCH, Dortmund

Unliebsame Ergebnisse

■ betr.: „Heilmittel oder PR-Trick“, taz vom 26. 6. 14

Hilfreich für Millionen von Kindern wäre es, ihren Eltern zu ermöglichen, ihre eigenen über Traditionen entwickelten Reissorten und ihr eigenes Gemüse anzubauen. Wenn diese Kinder wirklich naturbelassenen Reis – der normalerweise nicht so weiß und geschält aussieht wie der „im Naturzustand“ als Vergleich (Foto, Seite 4) abgebildete – bekommen würden, hätten sie größere Überlebenschancen. Denn mit ungeschältem Reis und unbehandeltem Gemüse bekämen sie die wertvollen Stoffe, die sie brauchen. Nicht nur Beta-Carotin. Der geschälte weiße Reis, auch der „Golden Rice“, ist dieser notwendigen Inhaltsstoffe beraubt, eben weil er geschält ist.

Die Greenpeace-Experten haben recht, wenn sie die Aussage „soll Menschenleben retten“ stark anzweifeln. Es ist doch kein Geheimnis, dass die unliebsamen Ergebnisse seriöser Studien diskreditiert werden oder einfach nicht erscheinen dürfen; andererseits wird mit Milliarden von Geldern alles drangesetzt, den Menschen etwas vorzumachen!

ANNEGRET VESPERMANN, Gnarrenburg

Aussagekräftige Studien fehlen

■ betr.: „Heilmittel oder PR-Trick?“, „Mehr als konventionell“ von Jost Maurin, taz vom 25. 6. 14

Ausgerechnet die taz hält die Fahne der obskuren Golden-Rice-Fangruppe um den Atomlobbyisten und Klimaskeptiker Patrick Moore hoch und plappert die Heilsversprechen der Gentechlobby nach.

Der Goldene Reis hat bis heute noch nicht einmal das notwendige Zulassungsverfahren durchlaufen, mit Greenpeace hat das nichts zu tun. Niemand weiß bisher, ob der Genreis überhaupt gegen Vitamin-A-Mangel hilft. Den Betroffenen mangelt es oft auch an anderen Nährstoffen (u. a. Fett), ohne die der Körper das Beta-Carotin gar nicht in Vitamin A umwandeln kann. Ungeklärt ist auch, ob das Beta-Carotin im Genreis die Lagerung unter tropischen Temperaturen übersteht. Und nach wie vor fehlen aussagekräftige Studien zur Sicherheit für Mensch und Umwelt. Statistiken und Studien belegen den großen Erfolg bewährter Maßnahmen zur Bekämpfung von akutem Vitamin-A-Mangel, auch auf den Philippinen. Die 20 Millionen Euro an Entwicklungskosten für den Goldenen Reis wären besser für Ernährungsbildungsprogramme und Hausgartenprojekte eingesetzt worden, wie Entwicklungsorganisationen sie erfolgreich durchführen.

Ich halte es für inakzeptabel, wenn im Kommentar die pseudoethische und gänzlich falsche Behauptung übernommen wird, Kritiker des Goldenen Reises hätten Mitschuld am Tod von Millionen Kindern. Solche unsachliche Demagogie sollte in der taz keinen Platz finden! HARALD EBNER, MdB, Bündnis 90/Die Grünen

Nur weil Leute wie Moore bestimmte Argumente vertreten, müssen diese nicht falsch sein. Der Widerstand inklusive Feldzerstörung hilft sicher nicht, den Reis schnell zuzulassen. Mehrere Studien belegen, dass der Körper das Beta-Carotin in Vitamin A umwandelt, sogar mit wenig Fett. Ob der Reis toxisch oder umweltschädlich ist, muss vor der Zulassung ausreichend untersucht werden, das fordert auch der Kommentar. Aber fest steht: Die Gegner des Goldenen Reises konnten bisher keine Gefahren nachweisen. Andere Lösungen des Vitamin-A-Problems und der Goldene Reis schließen sich ja nicht gegenseitig aus. Der Reis könnte Aufklärung, Nährstoffzusätze etc. ergänzen. Wenn sich dadurch nur ein Mensch zusätzlich retten ließe, darf man diese Chance nicht ablehnen. Und das muss dann auch mal in der taz stehen. JOST MAURIN