: Tote Fische in warmem Wasser
Klimawandel senkt Sauerstoffgehalt in der Nordsee und sorgt für höhere Sterblichkeit heimischer Fische. Dafür wandern neue aus dem Süden ein. Die aber sind kein gefundenes Fressen für Seevögel
von SVEN-MICHAEL VEIT
Wärmere Temperaturen in den Sommermonaten rauben den Fischen der Nord- und Ostsee zunehmend den Sauerstoff und bedrohen sie dadurch in ihrem Bestand. Das berichten Hans-Otto Pörtner und Rainer Knust vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science. Bei steigender Wassertemperatur verschlechtere sich die Sauerstoffversorgung der Fische und breche schließlich zusammen.
Die Forscher zeigen damit erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen durch den Klimawandel, dem daraus resultierenden Sauerstoffmangel und Veränderungen der Bestandsdichte von Fischen. Pörtner und Knust verglichen Daten aus dem deutschen Wattenmeer mit Laboruntersuchungen an Aalmuttern. Diese Art gilt als so genannter Bioindikator und erlaubt auch Rückschlüsse auf andere Fischarten der Nord- und Ostsee.
Die Forscher fanden ein geringeres Wachstum und höhere Sterblichkeit der Aalmuttern in warmen Sommern mit Wassertemperaturen von mehr als 17 Grad Celsius. Von 21 Grad Wassertemperatur an konnten die Fische nur noch kurzzeitig überleben, berichten die Forscher. Außer der Temperatur sei daher auch die Dauer, während der die Aalmuttern dem warmen Wasser ausgesetzt sind, von Bedeutung. Zudem verringern warme Sommer die Fruchtbarkeit der Tiere und wirken sich so auch auf die folgenden Jahrgänge aus, vermuten Pörtner und Knust.
Grund für die tödliche Wirkung des warmen Wassers sind seine physikalischen Eigenschaften: Je höher die Temperatur, desto weniger Sauerstoff kann Wasser aufnehmen. Dadurch steht den Fischen bei höheren Temperaturen weniger Sauerstoff zur Verfügung und sie drohen zu ersticken.
Innerhalb der vergangenen 40 Jahre ist die Wassertemperatur in der Nordsee um 1,13 Grad gestiegen. In den nächsten 100 Jahren ist mit einem weiteren Anstieg um weitere drei bis vier Grad zu rechnen.
Nach Ansicht britischer Biologen ist die zunehmende Erwärmung des Wassers jedoch nicht für den Rückgang des Kabeljau in der Nordsee verantwortlich. Die Tiere hielten sich freiwillig in wärmeren Gewässern auf, obwohl sie schnell kühlere Bereiche erreichen könnten. Bisher vermuteten einige Forscher und Fischer, dass Kabeljau als Folge gestiegener Wassertemperaturen in andere Regionen ausweiche.
Umweltschützer machen dagegen die Überfischung für den drastischen Rückgang der Bestände verantwortlich. Kurz vor Weihnachten hatte die EU die Fangquoten für Kabeljau trotz Forderungen nach einem Fangverbot nur leicht abgesenkt.
Klimawandel und Meereserwärmung machen inzwischen auch den Vögeln zu schaffen. Weil sich die Beute der Seevögel ändere, drohe ihnen nun möglicherweise Gefahr, sagte kürzlich der wissenschaftliche Direktor der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Siegfried Ehrich. Beispielsweise verdränge die in der warmen Biskaya heimische Fischsorte Große Schlangennadel langsam den Sandaal in der Nordsee – die typische Beute der Dreizehenmöwen und Papageientaucher. In ihrer Not fressen diese jetzt die harte und schwer verdauliche Schlangennadel. Noch nach Stunden rage sie den Vögeln aus dem Schnabel, viele Küken seien bereits verhungert.
„Bisher haben die Vögel noch nicht gelernt, dass dieser Fisch nichts für sie ist“, sagte Ehrich. Noch sei unklar, ob es im kommenden Jahr einen Lernprozess geben werde. Dafür kämen nun vermehrt Fischarten wie Meerbarbe oder Sardelle aus dem Mittelmeer hierher: „Selbst die Sardinen“, weiß Ehrich, „fangen schon an, sich in der Nordsee zu vermehren.“