: Fiese Winde
Die deutschen Biathletinnen warten seit zwei Jahren auf einen Sieg in der Staffel und wirken zunehmend frustriert
OBERHOF taz ■ In seinem neuen Job als Cheftrainer der chinesischen Biathletinnen kann Klaus Siebert nach einem halben Jahr bereits die ersten Erfolge vorweisen. Speziell in puncto Lockerheit hat er den asiatischen Skijägerinnen weitergeholfen. Behauptete zumindest die kleine Schlussläuferin Xianying Liu, nachdem sie der Staffel aus China zum Start des Oberhofer Weltcups Rang drei gesichert hatte. „Früher waren wir am Schießstand immer fürchterlich nervös. Doch seit uns unser neuer Trainer gesagt hat, wir sollen im Wettkampf so tun, als sei es ein Training, hat sich dieses Gefühl geändert“, berichtete Frau Liu.
Dank des simplen Ratschlags von Klaus Siebert, der in der Heimat vor allem durch seine erfolgreiche Arbeit mit Ricco Groß bekannt geworden ist, schnitt das Quartett aus China (eine Strafrunde plus elfmal nachladen) beim Kampf gegen die fiesen thüringischen Winterstürme unter den ersten drei Nationen noch am besten ab. Die Siegerinnen aus Frankreich (3+15) und die zweitplatzierten Deutschen (3+17) hielten die Asiatinnen am Ende allein wegen ihrer Laufleistungen auf Distanz.
„Wir haben den zweiten Platz hinter einer starken französischen Mannschaft erreicht, damit sind wir sehr zufrieden“, erklärte Andrea Henkel, die Führende im Gesamtweltcup, zwar. Allerdings fauchte die 29-Jährige den Satz mehr, als dass sie ihn sprach. Bundestrainer Uwe Müßiggang, der seit mittlerweile zwei Jahren auf einen Sieg einer Frauenstaffel wartet, gestand: „Wir wären gerne mal wieder ganz oben aufs Podest gelaufen.“ Immerhin sei man „in Schlagdistanz zur Spitze“.
„Wir heben uns den Sieg für die WM auf“, tönte stellvertretend Schlussläuferin Kati Wilhelm, die den möglichen Erfolg mit einer schwachen letzten Schießeinlage vergeben hatte. 36 Sekunden Rückstand auf die führende Bailly hatte die 30-Jährige bereits aufgeholt, als sie bei der finalen Schusssequenz im Gleichtakt mit der Französin eine Fahrkarte nach der anderen schoss. Zur Strafe mussten beide Damen jeweils zwei Extrarunden drehen. Und auf dem Weg ins Ziel bewies Bailly dann das größere Stehvermögen – auch, weil die Konkurrentin bei ihrer Lauftechnik einen Rückfall in alte Zeiten erlebte.
„Damit habe ich mich selbst ausgebremst. Am Ende hatten wir noch Glück, dass uns die Chinesinnen nicht noch überholt haben“, schnaufte Kati Wilhelm im Ziel, und Trainer Müßiggang hielt vor dem heutigen Sprintwettbewerb zunächst einmal fest: „Dass Sandrine Bailly schnell laufen kann, wissen wir seit Jahren. Dazu kommt, dass Kati Wilhelm noch nicht in WM-Form ist.“ Eine erstaunliche Erkenntnis – vor allem für die freundliche Französin aus der Region Rhône-Alpes. „Ich war mir überhaupt nicht sicher, dass wir hier gewinnen würden. Schließlich wusste ich, dass Kati hier zu Hause ist“, meinte Bailly, die auf der Strecke dann allerdings bemerkte: Nix is’ mit Heimvorteil. „Irgendwann“, erzählte die 27-Jährige, „habe ich gehört, dass Kati fünf Sekunden zurück ist. Dann waren es zehn, und ich dachte nur noch: Jetzt bloß nicht mehr hinfallen.“
Sie blieb stehen. Und während sich die deutschen Biathletinnen von Henkel („Das Laufen war okay, aber ich bin nicht überschwänglich“) über Martina Glagow („Es war schon sehr, sehr schwierig zu schießen“) bis hin zu Staffel-Debütantin Kathrin Hitzer („Dass ich ausgerechnet in meiner guten Disziplin, dem Stehendschießen, in die Strafrunde musste, hat mich schon geknickt“) nachher ihren diversen Problemchen widmeten, zeigte sich Sandrine Bailly („Es gab ein bisschen Wind“) unbeeindruckt von den Einflüssen der Natur. „Mir gefällt es in Oberhof“, erklärte die Weltmeisterin von 2003 in der Verfolgung fröhlich: „Im letzten Jahr hat unsere Staffel hier bei Nebel gewonnen und diesmal bei Wind.“
Mit solchen Details scheint sich Xianying Liu noch nicht zu beschäftigen: Ob sie gemerkt habe, dass das vor ihr liegende Duo Bailly/Wilhelm ständig danebenballerte und sie deshalb sogar eine Siegchance hatte, wurde die chinesische Schlussläuferin gefragt. Lius Antwort: „Nein, das habe ich nicht mitbekommen.“ Und Klaus Siebert weiß jetzt, dass er nach der Lockerheit nun die Aufmerksamkeit seiner Biathletinnen schulen sollte. ANDREAS MORBACH