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Archiv-Artikel

Eine neue Affäre in Olmerts Umgebung

Bei dem jüngsten Korruptionsskandal in Israel stehen eine langjährige Mitarbeiterin des Regierungschefs und der Direktor der Steuerbehörde im Mittelpunkt. Industrielle wollten sich offenbar Vorteile verschaffen. Olmerts Umfragewerte sinken rapide

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Im Finanzministerium ist von einem „Erdbeben“ die Rede und Journalisten sprechen von der „schlimmsten Affäre“, mit der die Regierung konfrontiert ist. Sollten sich die Verdachtsmomente in Israels jüngstem Korruptionsskandal verdichten, dann sieht es für Schula Saken, langjährige Wegbegleiterin Ehud Olmerts und derzeit Chefin im Büro des Premierministers, nicht gut aus. Durch ihre Vermittlung konnten nach Ansicht des Tel Aviver Amtsgerichts israelische Industrielle, darunter Sakens Bruder, „enormen Einfluss“ auf die Geschehnisse in der Steuerbehörde nehmen und sich selbst deutliche finanzielle Vorteile verschaffen. Ministerpräsident Ehud Olmert, so gaben sich dessen Mitarbeiter überzeugt, habe mit der Angelegenheit nichts zu tun, was die Polizei bislang bestätigt. Allerdings war er es, der als amtierender Finanzminister den ebenfalls in die Affäre verstrickten Direktor der Steuerbehörde Jackie Matza ins Amt berief.

Bei den Hauptverdächtigen aus der Industrie handelt es sich um Joram Karaschi, Sakens Bruder, sowie den Steuerberater und ehemaligen Chef des Mobilfunkunternehmens „Pelefon“, Kobi Ben-Gur. Die beiden bewirkten dem Verdacht zufolge in Kooperation mit Matza die Einstellung einer Reihe von Steuerbeamten. Die Polizei wollte keine genaue Anzahl nennen, sondern sprach am Mittwoch nur von „sehr vielen“. Die vermutlich mit Schmiergeldern in das Finanzamt gehievten Beamten sorgten dann, laut Ermittlungslage, für Steuererleichterungen der entsprechenden Unternehmen. Dafür wurden sie offenbar mit Beförderungen anstelle von Bargeld belohnt.

Der neue Korruptionsskandal reiht sich ein in eine ganze Serie von Affären, die in den vergangenen Wochen und Monaten die israelische Presse umtrieb. Staatspräsident Mosche Katzaw wird von ehemaligen Mitarbeiterinnen der sexuellen Übergriffe und sogar der Vergewaltigung beschuldigt. Ihm droht der Prozess. Exjustizminister Chaim Ramon steht wegen eines kleineren sexuellen Deliktes bereits vor Gericht. Omri Scharon, Sohn des früheren Premierministers Ariel Scharon, verbüßte infolge von Bestechung und Betrug im vergangenen Jahr eine Haftstrafe von mehreren Monaten.

Olmert selbst war wiederholt polizeilichen Ermittlungen ausgesetzt, nachdem der Verdacht unsauberer Immobiliengeschäfte gegen ihn aufkam. Zu einer Anklage kam es allerdings nie. Der aktuelle Korruptionsskandal wirft insofern einen Schatten auf ihn, da Saken seit 30 Jahren in seinem Dienst steht. Angefangen hatte sie als 17-Jährige in Olmerts Anwaltsbüro. Später zogen die beiden ins Rathaus von Jerusalem und dann in die Knesset.

Schon im August kümmerte sich Saken um Rechtsbeistand. Damals hatte die Polizei im Verlauf der Untersuchungen gegen den Justizminister mehrere Telefonleitungen im Regierungshaus angezapft. Sakens Anwalt Micha Fetman streitet wie seine Mandantin alle Schuldzuweisungen ab. Allerdings glaubt Fetman, dass „etwas faul ist im System“. Gegenüber dem Fernsehsender „Kanal 10“ äußerte er die Vermutung, dass „eine ganze Reihe von Mitarbeitern der Steuerbehörde“ vor Gericht landen werden.

Mit dem jüngsten Skandal sei, so schreibt der Wirtschaftsanalyst Sever Plotzker von der auflagenstärksten Tageszeitung Yediot Achronot, „die rote Linie überschritten“ worden. „Korruption im Steuersystem gefährdet Israels Stabilität mehr als ein Angriff der Hisbollah.“ Das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Führung war schon vor Veröffentlichung des aktuellen Skandals schwer erschüttert. Ganze 23 Prozent finden, dass Olmert, der gerade ein Jahr im Amt ist, gute Arbeit leistet. Wie die liberale Tageszeitung Ha’aretz gestern schrieb, befindet sich stattdessen Außenministerin Zippi Livni im Aufschwung der Popularität der Wähler der Partei. 49 Prozent würden sie gern an der Spitze der Kadima sehen, während nur noch 8,7 Prozent den derzeitigen Chef stützen.

Die jüngste Affäre bedeutet auch für die Außenministerin Überstunden. Einem Bericht der Online-Ausgabe von Yediot Achronot zufolge weist Livni die Botschafter an, die positiven Aspekte der Skandale hervorzuheben: „Bei uns wird nichts unter den Teppich gekehrt.“