: Teures Jonglieren mit Zahlen und Hoffnungen
Privates Kapital soll helfen, öffentliche Leistungen zu finanzieren. Immer wieder kommt es jedoch umgekehrt
BERLIN taz ■ In Deutschland propagierte die rot-grüne Regierung erstmals vor etwa drei Jahren die Kooperation mit dem privaten Sektor. Ihre Hoffnung: trotz Verschuldung der öffentlichen Haushalte finanzpolitisch handlungsfähig zu bleiben.
Der Einstieg in die Public Private Partnerships (PPP) misslang gründlich. Das Autobahnmautsystem Toll Collect endete vor Gericht: Weil das System zunächst nicht funktionierte, fordert die Bundesregierung in einer Klage von den drei Betreibern DaimlerChrysler, Telekom und CofiRoute bis heute eine Entschädigung von 5,1 Milliarden Euro. Der Ausgang ist ungewiss. Nicht einmal die Rechnungshöfe oder Bundestagsabgeordneten bekommen Einblick in den 17.000 Seiten umfassenden Toll-Collect-Vertrag. Das Bundesverkehrsministerium stuft ihn als „geheim“ ein. Die meisten Kooperationen mit der Privatwirtschaft in Deutschland gibt es bei Straßen, Brücken, Gefängnissen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden. Und sie sorgt für heftige Kritik, denn sie ist ein Schleichweg, große Investitionen an den aktuellen Haushaltsplänen vor allem der Kommunen vorbeizuschmuggeln. Das Prinzip der verdeckten Kreditaufnahme: Der Investor übernimmt die Bau- und Unterhaltskosten, die Kommune verpflichtet sich, über 20 oder 30 Jahre das Bauwerk zu mieten. Nicht selten betragen die Mietkosten das Doppelte des ursprünglich eingesetzten Kapitals. Ein sicheres Geschäft – für den Investor.
Der Bundesrechnungshof warnte deshalb erst vor kurzem in einer Erklärung, PPPs seien keine neue Geldquelle für den Staat: „Langfristig können sie gefährlich sein, weil die Finanzierungslast in die Zukunft verschoben wird.“
PPPs sind für den Staat meist teurer als steuerfinanzierte Investitionen, denn Privatunternehmen decken mindestens 80 Prozent der Investitionen mit Hilfe von Krediten. Und Kredite für Privatfirmen sind im Schnitt etwa 2 Prozent teurer als für die öffentliche Hand. Hinzu kommen PPP-spezifische Kosten für Manager und Beratung.
Beispiel Frankfurt am Main: Hier wurde 2005 das Bildungszentrum Ostend als PPP gebaut. Versprochen waren 25 Prozent Einsparungen gegenüber einem rein öffentlichen Projekt. Das Revisionsamt der Stadt bilanzierte jedoch am Ende nüchtern, der Gebäudekomplex mit Abendgymnasium, Volkshochschule und Konservatorium werde die Stadt im Lauf des 20-jährigen Leasingvertrages viel mehr kosten: Letztlich zahle Frankfurt für den 54-Millionen-Euro-Bau 104 Millionen Euro Miete. Honorare für Anwälte, Projektentwickler und Kreditvermittler kommen dazu. „Die Rechnung ist nicht nachvollziehbar“, meint SPD-Fraktionschef Klaus Oesterling im Frankfurter Rat.
Etwas besser scheint es beim bundesweit größten PPP-Projekt für öffentliche Schulen zu laufen. Seit Ende 2004 werden im hessischen Landkreis Offenbach 90 Schulen von den Unternehmen Hoch-Tief AG und der Gebäudemanagementfirma SKE privat saniert und bewirtschaftet. 15 Jahre lang sind die Unternehmen für die Bewirtschaftung und den Erhalt der Schulgebäude verantwortlich. Dafür bekommen sie insgesamt 780 Millionen Euro. Weitere 30 Millionen Euro Beraterhonorar kostete der 4.000-seitige geheime Vertrag. „17 Schulen wurden bislang saniert, zeitlich liegen wir voll im Plan“, so eine Sprecherin des Kreises Offenbach. Durch die Kooperation sollen die Projektkosten um gut 15 Prozent sinken.
Überprüfen lässt sich diese Zahl kaum. Einsparmöglichkeiten liegen aber nahe – bei den Mitarbeitern: Hausmeister und Reinigungskräfte werden von den Privaten gestellt und unterliegen nicht mehr dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes.
TARIK AHMIA