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Archiv-Artikel

Rätselhafter Leichenfund in Wismar

Am Tag nach Neujahr alarmiert ein Wismarer die Kripo: In seiner Wohnung liege ein Toter. Angeblich diente die Wohnungals Treffpunkt für Neonazis. Anhaltspunkte für eine rechtsextreme Tat gebe es aber nicht, versichert die Staatsanwaltschaft

AUS HAMBURG ANDREAS SPEIT

In der Wohnung in der Lieselotte-Hermann-Straße kamen die Neonazis immer wieder zusammen. Sie hörten Rechtsrock, tranken Bier. Vor der Tür des Hauses in Wismar hätten die Männer sogar „Sieg Heil!“ gegrölt, berichtet Thorsten Schäfer vom örtlichen „Netzwerk für Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz“. Im Dezember war ihm der rechte Treffpunkt aufgefallen. Bei der Wohnungsgenossenschaft hätten sich Anwohner besorgt geäußert. Am Dienstag fand die Polizei nun in ebenjenem Haus die Leiche eines Mannes.

„Die äußeren Verletzungen lassen auf eine Gewaltanwendung schließen“, erklärt der Schweriner Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick. Der genaue Tathergang sei noch unklar.

Der Inhaber der Wohnung war am Abend des 2. Januar mit einem Anwalt bei der Polizei in der mecklenburg-vorpommerschen Stadt aufgetaucht. Der 26-Jährige erklärte den Beamten, in seiner Wohnung liege eine Leiche. Zur Identität des Toten schwieg er – ebenso wie zu dessen Beziehung zu ihm. Laut der Staatsanwaltschaft soll die Tat schon in der Nacht zum 2. Januar geschehen sein. Sie soll brutal verlaufen sein, heißt es aus Ermittlerkreisen. Das Gesicht des Toten und Gegenstände in der Wohnung seien blutverschmiert gewesen.

Seit gestern hat die Staatsanwaltschaft das Opfer identifiziert: ein 30-jähriger Mann aus Wismar. Weitere Angaben wollte die Behörde wegen der laufenden Ermittlungen nicht machen. Allerdings versicherte Pick, es gebe „keine Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund“ der Tat.

Die Einschätzung verwundert Schäfer vom Netzwerk für Demokratie. Schließlich seien in der Wohnung Neonazis ein- und ausgegangen. Auch aus Ermittlerkreisen war zu hören, der Wohnungsinhaber sei als Person mit rechtsextremer Einstellung bekannt, er sei bereits polizei- lich aufgefallen. Der 26-Jährige blieb aber auf freiem Fuß. Nach NDR-Informationen haben die Ermittler bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Tat beging.

Die rechte Szene in Wismar gilt als gewaltbereit. Die in Cliquen organisierten Rechten würden „regelmäßig durch Körperverletzungen und Bedrohungen auf sich aufmerksam machen“, sagt Cornelia Neumann vom Schweriner „Mobilen Beratungsteam für Demokratische Kultur“. Um die 30 Personen, schätzt der Verfassungsschutz, gehörten in der Stadt zur Szene. Als im vergangenen August die Kampagne „Keine Stimme den Nazis“ vor dem „Werwolf-Shop“, einem Laden für Szeneartikel in der Wismarer Altstadt, protestierte, wurden Demonstranten aus dem Laden heraus attackiert. Erst als Polizeibeamte ihre Pistolen zogen, wichen die Rechtsextremen zurück.

Aber auch innerhalb der Szene geht es brutal zu. Anfang Oktober drangen nach Polizeiangaben drei Berliner Neonazis bei dem Betreiber des Wismarer „Werwolf-Shops“ ein. Sie sollen Geld für die Vermarktung von Szeneartikeln gefordert und den Händler mit Totschlägern und einer Axt bedroht haben.