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Archiv-Artikel

Reine Präzisionsarbeit

DORTMUND Meisterschaft? Wer so spielt wie der BVB beim 3:0 in Wolfsburg, muss dazu kein Wort mehr sagen. Das Team weiß offenbar, was es kann, wie es geht, und vertraut darauf, das jeden Spieltag umsetzen zu können

„Dortmund ist das beste Team, gegen das wir bisher gespielt haben“

STEVE MCCLAREN, VFL-TRAINER

VON PETER UNFRIED

Jürgen Klopp hatte eine Hand an der Denkerstirn und tat so, als sei er mit dem Studium des Spielberichts komplett ausgelastet. Es war klar, dass jeden Moment jemand mit dem Meisterthema kommen würde. Das übernahm dann sein Wolfsburger Kollege Steve McClaren. „Ich denke, wir haben heute den Bundesliga-Champion gesehen“, sagte der VfL-Trainer. Borussia Dortmund sei „das beste Team, gegen das wir bisher gespielt haben“. Klopp bewegte keinen Gesichtsmuskel.

Das 3:0 in der VW-Arena war in der Tat eine spektakulär souveräne Fußballdemonstration. Barrios (2.), Sahin (40.) und Hummels (71.) erzielten die Treffer. Sechzehnter Saisonsieg und zehnter Auswärtssieg für den BVB in 20 Spielen: „Weltklasse“, sagte Dortmunds Spielgestalter Nuri Sahin, und dass man „einfach gut“ Fußball spiele. Das gilt speziell für ihn. Abgesichert durch den komplett defensiv denkenden Bender, organisiert Sahin von seinem Platz vor der Abwehr aus Defensive und Offensive. Und wehe, der Gegner verliert den Ball und ist eine Sekunde unsortiert. Dann geht es ihm wie den Wolfsburgern beim 0:1: Sahins Umschaltpass durchschneidet die Abwehr, Götze passt, Barrios trifft. Und beim 0:2: Hummels spielt den steilen Ball, Götze passt, Sahin trifft. Wer gedacht hatte, der BVB könne nervös werden, weil der Tabellenzweite Leverkusen tags zuvor gewonnen hatte, sah sich schwer getäuscht. Das Team weiß offenbar, was es kann, wie es geht, und vertraut anscheinend tatsächlich darauf, das jeden Spieltag umsetzen zu können.

Gern wird gesagt, es sei erstaunlich, dass der BVB schon so gut sei, obwohl das Team im Schnitt erst um die 23 ist. Man könnte auch sagen, dass das Gegenteil richtig ist: Für Klopps Laufspiel auf diesem quantitativen Niveau und mit diesem Speed braucht man junge Leute und keine van Bommels oder Ballacks. Dortmund gibt dem Gegner keine Luft und fast keine Chancen. Der ohnehin kreativarme VfL Wolfsburg hatte in 90 Minuten grade mal eine. Gleichzeitig kreiert das Team durch seine blitzschnellen Umschaltaktionen mittlerweile die mit Abstand meisten Chancen der Liga. Und verliert sich sehr selten in Schnörkelfußball. Er sei „hochzufrieden mit dem Ergebnis und der Art, wie es zustande kam“, sagte Klopp. Das sei „richtig, richtig gut in allen Mannschaftsteilen“ gewesen. Es wird ja immer der Teamgeist des BVB gelobt. Sicher zu Recht. Aber so einen Fußball kriegt man nicht hin, indem man gemeinsam kegeln geht. Das ist Präzisionsarbeit. Der Speed und die Abstimmung führen dazu, dass der BVB fast immer besser in die Zweikämpfe kommt als der Gegner.

Nun ist der VfL Wolfsburg ein Abstiegskandidat und war zudem personell sehr geschwächt. McClaren sagt, er brauche diese Woche dringend noch neue Spieler. Aber daran allein lag es nicht, dass man den Eindruck hatte, als spiele hier Fußballmoderne gegen Vergangenheit. Der VfL-Spielmacher Diego konnte einem fast leid tun mit seinen Hilflospässen und seinen Hilflosdribblings, an deren Ende häufig ein weiterer Ballverlust stand. Es lag längst nicht nur an Diego. Er zumindest traute sich den Ballbesitz zu, während andere, mutlos geworden durch den Dortmunder Druck, „den Ball gar nicht mehr wollten“, wie Kapitän Schäfer zugab. „Bei Dortmund machen im Angriff alle mit und in der Abwehr alle mit“, sagte Nationalspieler Arne Friedrich. Wenn Dortmund perfekt arbeitet, kann ein Team wie Wolfsburg de facto kein Spiel mehr aufbauen, sondern müsste ernstlich überlegen, ob man den Ball nicht besser sortiert weggibt, statt in den nächsten Konter zu laufen.

Und was ist nun mit der siebten Meisterschaft für den BVB, wo man elf Punkte vor Leverkusen liegt und selbst McClaren das jetzt sagt. Kann da nicht auch Klopp endlich sagen, dass er es werden will? Sehr nett, was der Herr Kollege glaube, sagte Klopp. Aber das erhöhe die Wahrscheinlichkeit nicht. Am Freitag erwartet der BVB den FC Schalke 04. Es gebe keinen Grund, sagt Klopp, „über etwas anderes nachzudenken als dieses Spiel“. Es ist so: Wer so perfekt spielt wie der BVB in Wolfsburg, braucht darüber hinaus kein Extrawort zu verlieren. Es ist schlicht redundant.