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Archiv-Artikel

Günther Jauch darf noch hoffen

Potsdamer denken ähnlich wie ihr prominenter Nachbar. Im Sinne des bekennenden Schloss-Fans stimmen sie für den Bau des Stadtschlosses als Landtagssitz. Stadtparlament will neu nachdenken

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Chancen für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses als Sitz des Brandenburgischen Landtags sind wieder gestiegen. Nach zwei gescheiterten Versuchen im Dezember 2006, für die Schlossrekonstruktion eine klare Mehrheit in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung zu erlangen, hat nun eine Bürgerbefragung diese Option wieder eröffnet.

Bei der Umfrage in der Landeshauptstadt votierten 42,8 Prozent der Befragten für den Bau am Alten Markt. 122.000 Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. 56.400 Potsdamer, also 46,1 Prozent, beteiligten sich an der Befragung, die mehrere Standorte zur Auswahl stellte. Das Ergebnis wurde am Donnerstagabend von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) verkündet. Es dürfte einen Promi-Potsdamer freuen: Das Fortunaportal des Schlosses, vor der Nikolaikirche, konnte mit einer Spende von Fernsehmoderator Günther Jauch bereits wieder errichtet werden.

Schloss-Fan Jakobs, der vor Weihnachten mit der Abstimmungsniederlage in die Feiertage geschickt worden war, konnte jetzt wieder lachen. Er werte die hohe Zahl an Rücksendungen zum einen als Zeichen für das „lebhafte Interesse“ der Bürger an der Mitgestaltung der historischen Stadtmitte, sagte er zur taz. Zum anderen bedeute das „deutliche Votum“ für den Schlossaufbau und den Sitz des Landtags eine Richtungsentscheidung. „Ich gehe davon aus, dass das Umfrageergebnis von den Stadtverordneten bei ihrer weiteren Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt wird“, so Jakobs. Andere Standorte wie etwa die Speicherstadt (28 Prozent) oder das Palais Barberini (12,8 Prozent) seien klar geschlagen worden.

Die Umfrage ist für die Potsdamer Fraktionen rechtlich nicht bindend. Trotzdem wird am 31. Januar bei einer neuen Abstimmung im Parlament mit einem positiven Beschluss gerechnet, da sich in ersten Reaktionen fast alle Fraktionen erfreut äußerten. Potsdams CDU-Fraktionschef Steeven Bretz sagte, die Befragung bedeute eine „Initialzündung für das Stadtschloss“. Es sei zu wünschen, dass die Stadtverordnetenversammlung dem deutlichen Votum folge. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mike Schubert nannte die hohe Beteiligung ein gutes Zeichen. Am Montag wollen die Fraktionen das weitere Vorgehen beraten. Nach dem Abstimmungspatt und der knappen Entscheidung gegen das Schloss im Dezember hatte die Landesregierung die Potsdamer gerügt. Gestern zeigte sich Landesvater Matthias Platzeck (SPD) wieder versöhnlich. Das Land will den Bau mit 100 Millionen Euro finanzieren.

Selbst die PDS, die im seit 15 Jahren dauernden Konflikt um den Wiederaufbau des kriegszerstörten und 1959 von der SED abgerissenen Stadtschlosses sich immer gegen eine Rekonstruktion ausgesprochen hatte, will nun nachdenken. Das Ergebnis der Bürgerbefragung spreche dafür, „dass wir unsere Position überdenken“, sagte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg.