Die Hosen der Fußballer

IN ZEITEN DER FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT Das coole Rennroboter-Wettrennen im „ausland“ litt unter der furchtbaren Konkurrenz

Im Vorbeifahren konnte man das Spiel in den Fernsehern verfolgen, die alle paar Meter zwischen Kreuzberg und Prenzlauer Berg aufgestellt sind

„Karl Heinz Jeron is back at ausland, this time he’s a Robot Race Bookie“, hatte es in der Programmvorschau geheißen. Am Samstagnachmittag hatte der Berliner Künstler Karl Heinz Jeron also einen Workshop gegeben, bei dem die fünf Teilnehmer lernten, sich einen kleinen Rennroboter zusammenzubauen.

Am Abend sollten die aus möglichst billigen Teilen (2 Transistoren, Reflexkoppler, 2 Motoren, Batterien und Batteriehalter) zusammengebauten sogenannten Line-Follower gegeneinander im „ausland“ in der Lychener Straße antreten, und die Zuschauer sollten auf die Sieger setzen.

Zeitgleich lief das Achtelfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft. Zwischen Brasilien und Chile. Das Spiel war sehr spannend. Beim Gucken hatte ich mich mit einem schwulen Freund über die Hosen der Fußballer unterhalten, die früher sehr viel kürzer gewesen waren. Sodass die großen Männerhelden der 70er, aus der Jetztzeit betrachtet, eigentlich alle sehr verboten aussehen. Wir tauschten lustige Sätze aus, dann musste ich aber los. Ins „ausland“. Die Arbeit rief. Im Vorbeifahren konnte man das Spiel in den Fernsehern verfolgen, die alle paar Meter zwischen Kreuzberg und Prenzlauer Berg aufgestellt sind.

In Prenzlauer Berg ist die Straßenfernseheranhäufung besonders ausgeprägt. In der Lychener Straße gab es jedoch eine Fernseherlücke. Draußen ging es grad in die Verlängerung; im hohen Souterrainraum des „auslands“ schien sich niemand dafür zu interessieren. Acht Leute waren zunächst da. Einige probierten an ihren kleinen Maschinchen herum, versuchten da und dort noch etwas zu verbessern. Machten Testfahrten. Die Atmosphäre bei den Testfahrten war ganz angenehm. Die Rennroboter hatten lustige Aufbauten und waren teils als Kuh, teils als Klavier verkleidet oder sahen so Muscle-Car-mäßig aus.

Ich ging noch mal raus, um mir das Elfmeterschießen anzugucken, und kam bedröppelt wieder. Jetzt waren schon ungefähr 15 Leute hier. Karl Heinz Jeron erklärte mir alles. Zum Beispiel dass die Schaltung der Rennroboter im Prinzip ein elektronischer Flip-Flop ist. Beim Fahren machten die Teile interessante Geräusche, die nach Frickel-Frackel-Techno klangen. Jetzt sollten alle wetten. Ich wettete auf das Teil von Rahel, das die besten Geräusche gemacht hatte. Obwohl es nur 1 Euro war, stürzte mich der Wettvorgang gleich wieder in komische Konkurrenzgefühle.

Zwischendurch musizierten drei Leute an Bass, Schlagzeug und Gitarre. Die Combo heißt „(tmp 5-7)“ Die Improvisationen erinnerten an ganz frühe Weather Report, Krautrock, kurz mal Miles Davis; an anspruchsvollen, kulturradiomäßigen Improvisationsjazz. Manchmal kurz anstrengend, dann wieder okay.

Dann geht es mit dem Rennen weiter. Ein kleiner Junge weint, weil er nach Hause soll, glaube ich. Wetteinsätze werden getätigt. Mein Lieblingsfahrzeug gewinnt. Leider hatte ich darauf gewettet, dass es Dritter wird. Karl Heinz Jeron klagt über die „furchtbare Konkurrenz mit der Fußball-WM“, die man unglücklicherweise übersehen habe. Ich fahre schnell wieder nach Hause, um weiterzugucken.

DETLEF KUHLBRODT