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Archiv-Artikel

100 Prozent Werder zwischen Buchdeckeln

Von Modesünden und falschen Mittelstürmern: Mit „Lebenslang grün-weiß“ liefert der Radio Bremen-Moderator Arnd Zeigler die ebenso subjektive wie komplette Bestandsaufnahme von Werder Bremens Bundesliga-Geschichte ab

Es gibt kaum etwas über Werder zu sagen, was in diesem Buch nicht steht. Noch nicht einmal die Geschichte jener Begegnung aus der längst vergessenen Intertoto-Runde gegen Pogon Stettin fehlt. Bremen verlor damals mit 1:2, am 17. Juli 1983. Rudi Völler, seinerzeit noch frisch eingekaufter Stürmerstar der Bremer, traf kaum einen Ball – vermeldeten die polnischen Medien. Übereinstimmend, und nicht ohne eine gewisse Süffisanz. Doch bei Werder gab es beleibe nicht nur „ein’ Rudi Völler“ – wie eine auch erst später entstandene Hymne nahe legt. Trainer Otto Rehagel bot den heute völlig vergessenen Klaus Funk als Mittelstürmer auf. Der Mann war Torwart von Beruf. Und er trug an jenem Tag Völlers Trikot.

Es ist die Lieblingsanekdote von Arnd Zeigler. In „Lebenslang grün-weiß“ verliert sich die Geschichte auf wenigen Zeilen. Irgendwo in der Chronik der Saison 1982/83. Zeigler, von dem sein Verlag behauptet, er sei in einem Weidekörbchen unter der Ostkurve des Weser-Stadions gefunden worden, hat sie zusammengetragen: Alle, ja, wirklich alle Spiele, die Werder seit Gründung der Fußball-Bundesliga im Jahre 1963 ausgetragen hat.

Dazwischen liegen mehr als 2.000 Fotos, und ein Poster mit allen Spielern, die je für den SV Werder in der Bundesliga gekickt haben. Es sind übrigens weniger an der Zahl, als man gemeinhin annimmt. Zahlreiche Geschichten finden sich in dem Buch wieder, die etwa von Udo Latteks unerfüllter Liebe zu Werder erzählen, von allen Erfolgen wie Misserfolgen, von Trainern wie Sepp Piontek, Felix Magath und Otto Rehagel. Von Managern wie dem stets mit Schalke 04 assoziierten Rudi Assauer und den zum SPD-Bildungssenator geadelten Willi Lemke. Und von all den Spielern, an die geneigte Werder-Fans sich noch erinnern mögen, je nach Alter, versteht sich. Viele von ihnen werden in langen Porträts und Interviews gewürdigt, von Horst-Dieter Höttges und Dieter Burdenski über Marco Bode bis hin zu Ailton, Johan Micoud und Miroslav Klose.

Es ist ein „perfektes Sachbuch“, wie die Edition Temmen es nennt, eine „Werder-Bibel“, zugleich der legitime Nachfolger des 2003 erschienenen Werkes „Das W auf dem Trikot“, ein Bilderbuch für alle, die auch lebenslang grün-weiß sind. So wie Arnd Zeigler, Radiomoderator von Beruf, und Stadionsprecher. Ein objektives Buch wird niemand von ihm erwarten können. Aber eine Liebeserklärung.

Wer an ihr etwas mäkeln wollte, der wird die frühen Werder-Jahre vermissen, oder die Zeit in der Oberliga Nord nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings dürften die Fakten hier ausgesprochen schwierig zu recherchieren sein. Und dann wären da noch die Fußballermatten und VoKuHiLa-Frisuren der Achtziger Jahre. Oder die Selbstkritik von Klaus Allofs, der 1993 in Bremen seine Karriere als Spieler beendete und dem Verein heute als Geschäftsführer dient. „Die auf den Bildern zu erkennende Gewichtszunahme stimmt mich etwas nachdenklich“, meinte Allofs nach der Durchsicht des Buches. Zufriedener wirkt er beim Blick auf die Historie der Werder-Trikots, die auch auf dem Poster abgedruckt sind. „Man kann klar erkennen, dass da einige modische Sünden dabei waren.“ Recht hat er. „Aber seit ein paar Jahren sind wir auf einem guten Weg.“Jan Zier

Arnd Zeigler: „Lebenslang grün-weiß“, Edition Temmen, 576 Seiten, 39,90 Euro (ab 12. Februar wieder lieferbar)