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Archiv-Artikel

Seehofer will jetzt auch mal zuhören

BAYERN CSU-Chef Seehofer gibt sich bei der Parteiklausur lernfähig. Sein Führungsstil und der Europakurs standen in der Kritik

MÜNCHEN taz | Pressesaal der CSU in München, Samstagabend: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer starrt zusammen mit einem Dutzend Journalisten auf einen kleinen schwarzen Bildschirm: Elfmeterschießen Brasilien gegen Chile. Er hat es sich auf einem der Tische bequem gemacht. Feierabendstimmung. Brasilien verschießt – allgemeines Raunen. „Es kann sein, dass der Gastgeber rausfliegt“, sagt Seehofer. Auch er musste an diesem Samstag befürchten, als Gastgeber nicht allzu freundlich behandelt zu werden.

Seehofer lud zur CSU-Klausur, um die verhagelte Europawahl zu analysieren. Doch für ihn ging es um mehr: Er musste zeigen, dass die Partei geschlossen hinter ihm steht, alle Gerüchte über einen Aufstand gegen ihn zerstreuen. Bei der Europawahl hatte die CSU ihr schlechtestes Ergebnis seit 60 Jahren eingefahren. Andere Parteien würden Luftsprünge machen, doch 40 Prozent genügen der erfolgsverwöhnten CSU nicht. „Wenn der Erfolg ausbleibt, dann bäumt sich die Partei auf“, sagt eine CSU-Abgeordneter. Das bekam Seehofer letzte Woche zu spüren.

Markus Ferber, EU-Spitzenkandidat der Partei, bemängelte, die CSU sei in Berlin „ähnlich einflusslos wie 2008 unter Beckstein und Huber“. Manfred Weber, EVP-Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament, forderte, es müsse endlich Schluss sein mit dem „Genörgel über Europa“. Eine Kritik nicht nur an CSU-Europaskeptiker Gauweiler, sondern auch an Seehofer. Der hatte Gauweiler zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gemacht und ihm die Bühne bereitet für seine Attacken gegen die EU.

Schon vor dem Showdown am Samstag verteidigte sich Seehofer. Ferber, der als einziger personelle Konsequenzen aus der Wahlschlappe ziehen musste und sein Amt als Europagruppenchef verlor, sei ein schlechter Verlierer. Hier folgte ihm die Partei. Ferber vertrete eine „Einzelmeinung“, hieß es von mehreren Klausurteilnehmern. Kritik gab es nur noch an Gauweilers anti-europäischem Kurs.

Seehofer reagierte und erklärte nach der Klausur, die CSU werde sich jetzt mehr um die Europapolitik kümmern, europaskeptische Töne sollen leiser ausfallen. „Endlich fahren wir einen proeuropäischen Kurs“, sagte Europagruppenchefin Angelika Niebler am Sonntag. Doch an ihrem „Ja, aber“ zu Europa hält die Partei fest. Die Linie sei richtig gewesen, so Seehofer, sie sei nur falsch vermittelt worden. Das habe die Wahlanalyse durch Experten gezeigt.

Auch auf die Kritik an seinem strammen Führungsstil ging Seehofer ein. Schon vor der Klausur hatte er angekündigt, alle Kritiker zu Wort kommen zu lassen. „Ich setze mich auch zwölf Stunden hin“, sagte er. Es wurden dann nur neun, doch so lange hatte der Parteivorstand noch nie diskutiert. Die neue Offenheit will Seehofer jetzt fortführen. Ungewohnte Worte kamen aus seinem Mund: „Reden verbindet und reden stärkt“, er habe jetzt „deutlich mehr Zeit für den Dialog“. Dass der bis jetzt etwas zu kurz gekommen ist, rechtfertigte er damit, dass es in seiner „ersten Halbzeit“ um die Existenz der Partei gegangen sei. Es sei seine Aufgabe gewesen, die angeschlagene CSU wieder zur Alleinherrschaft zu führen.

Indem er betonte, was die Partei ihm zu verdanken hat, besänftigte er auch die Gemüter auf der Klausur. Er erinnerte an „die tolle Zeit des Aufstiegs“ und „packte damit die Partei am Herzen“, berichtet ein Teilnehmer. Danach sei erst mal Ruhe gewesen. Doch der Unmut über seinen autoritären Führungsstil sitzt tief. „Während der Wahlen haben viele die Zähne zusammengebissen, aber jetzt reicht es“, sagt ein Parteimitglied. Ob sich bei Seehofer wirklich „etwas verändert“ hat, das müsse er erst mal zeigen.

LISA SCHNELL