Gauck vermiest Bundestag die Ferien

GELD Der Bundespräsident verzögert seine Unterschrift unter die für den 1. Juli geplante Diätenerhöhung, weil er offenbar verfassungsrechtliche Bedenken hat – Erhöhungen ab 2016 sollen quasi automatisch erfolgen

„Eine komplexe Angelegenheit, die sorgfältiger Prüfung bedarf“

DAS BUNDESPRÄSIDIALAMT

VON PASCAL BEUCKER

KÖLN taz | Wenn der Bundestag am kommenden Wochenende in die parlamentarische Sommerpause geht, werden die Abgeordneten im Urlaub sparsamer sein müssen. Die üppige Diätenerhöhung, die eigentlich ab Dienstag gelten soll, fällt aus, zumindest vorläufig. Bundespräsident Joachim Gauck hat das entsprechende Gesetz bislang nicht unterzeichnet. Ob und wann er das tun wird, ist unklar.

„Das ist eine komplexe Angelegenheit, die einer sorgfältigen Prüfung bedarf“, sagte eine Sprecherin des Präsidenten am Wochenende. Union und SPD hätten die Diätenerhöhung in großer Eile durchgezogen, „auf der Strecke ist offenbar die verfassungsrechtliche Prüfung geblieben“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Welt am Sonntag.

Am 21. Februar hatte der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition beschlossen, die Bezüge der Parlamentarier in mehreren Stufen deutlich zu erhöhen. Danach sollten zum 1. Juli zunächst die Diäten von derzeit 8.252 auf 8.667 Euro im Monat steigen. Anfang 2015 kämen dann nochmals 415 Euro drauf. Zudem sollen die Vorsitzenden von Ausschüssen und Untersuchungsausschüssen künftig eine Zulage in Höhe von 15 Prozent der Diäten erhalten. Erklärtes Ziel ist die Angleichung an die Besoldung eines Richters an einem Obersten Gerichtshof. Das soll der Ausgangspunkt sein, um schließlich die Diäten ab 2016 jährlich automatisch an die allgemeine Lohnentwicklung anzukoppeln. Die Neuregelung ist umstritten. Die Opposition kritisierte die vorgesehene 10-prozentige Diätenerhöhung innerhalb von nur sieben Monaten. Bei der namentlichen Abstimmung über das Gesetz verweigerten auch 9 Abgeordnete von CDU und SPD ihre Zustimmung.

Verfassungsrechtliche Bedenken äußerte allerdings damals niemand. Nun heißt es aus dem Bundespräsidialamt, den Hausjuristen mache der Automatismus der Diätenanpassung Kopfzerbrechen. Danach solle der Bundestag nicht mehr über jede einzelne Erhöhung entscheiden, sondern nur noch am Anfang einer Legislaturperiode das Verfahren bestätigen.

Ob Gauck zu der Auffassung gelangen könnte, das Gesetz sei verfassungswidrig, ist ungewiss. „Eine Prüfung ist keine Blockade“, antwortete die Sprecherin Gaucks diplomatisch. Sie verwies zudem darauf, dass immer mal wieder bis zur Entscheidung über ein Gesetz mehrere Wochen vergehen würden. Das Diätengesetz liegt dem Präsidialamt erstaunlicherweise erst seit dem 19. Mai vor.

Mit offener Kritik an der Haltung Gaucks hält sich die Regierungskoalition zurück. Es sei „das gute Recht des Bundespräsidenten, ein Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. Ihr Unionspendant Michael Grosse-Brömer zeigte sich zuversichtlich, dass es letztlich keine Probleme geben werde. Gauck könnte seine Unterschrift nur dann verweigern, „wenn es ganz offenkundig verfassungswidrig wäre“, sagte er. „Dafür gibt es aber in meinen Augen keinen Anhaltspunkt.“

Das sieht die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak genauso. „Verfassungsrechtliche Bedenken sehe ich jetzt so nicht“, sagte sie der taz. Die automatische Anpassung an die Entwicklung des Nominallohnindex hätten auch unabhängige Reformkommissionen empfohlen. Politisch halte sie die Diätenerhöhung jedoch weiterhin für einen Fehler.

Verloren geht den Abgeordneten übrigens bei verspäteter Gesetzesunterzeichnung nichts: Die Erhöhung würde rückwirkend greifen.