: berliner szenen Bedrohte Wörter
Haus der Sprache
Der Kollege Bodo Mrozek hat zwei Lexika über bedrohte deutsche Wörter veröffentlicht. Er kolumnierte zu Ausdrücken wie „Herrengedeck“ und „Pike“, recherchierte ironisch Interessantes zur Entstehung bestimmter Redewendungen einerseits und buhte mit dem Zeitgeist andererseits. Das erste Buch war ein Hit, wurde in großer Auflage von Bahnhofsbuchhandlungen als Spitzenmitbringsel zu jedem angeonkelten Zeitungsleser getragen, und das neue zweite stellte Mrozek am Samstag im Roten Salon einem wohlgesinnten Publikum vor. Das bestimmt nicht die SZ-Schelte vom vergangenen Donnerstag gelesen hatte, in der Kollege Mrozeks gut verkäufliche Idee „jenen Formen der Sprachpflege“ zugeordnet wurde, die „einen Liebhaber des Deutschen des Grausen lehren können“.
„Zum Haus der Sprache“, hieß es da, „gehören notwendig verschattete, selten betretene Räume“, uiuiui. Sitzen dort, in München, die wahren, die einzigen Freunde der deutschen Sprache? Und wir hier, die wir ständig „kieke“ auf „icke“ reimen und uns janz köstlich amüsieren, wenn dit linke Auge fehlt und dit rechte marmoriert ist, wir müssten eigentlich erst mindestens hundert Mal „Ich weiß wirklich, was ein Hagestolz ist“ schreiben, bevor wir es wagen dürfen, mit der deutschen Sprache zu spielen?
Samstag jedenfalls kicherte Jung und Gesetzt kollektiv über Mrozeks parodistisch-pädagogischen Vortrag und seinen ausgerufenen Wettbewerb „Das bedrohte Wort“, dessen GewinnerIn von einer AutorInnenjury im Sommer mit einem Kunst-Käseigel ausgezeichnet werden soll. Und auch wenn das wortreiche Sammelsurium an manchen Stellen arg ins Lehrerhafte gerät: Gegen die knöcherne Konservativistenhaltung der SZ ist es fast schon 70er-Punk. JENNI ZYLKA