Kettenhemden, Wappenscheiben und ein Ei

MITTELALTER An Originalschauplätzen: Eine Ausstellung in Regensburg erinnert an Ludwig den Bayern, den einzigen bayerischen Kaiser

Und wenn sich auch kein sicheres Abbild seiner Person erhalten hat, so entstand doch ein Personenkult um diesen Ludwig, der sich in der Ausstellung widerspiegelt

VON KLAUS HILLENBRAND

Der Verblichene hätte sich in den Örtlichkeiten, die dem Jubiläum seiner Wahl vor 700 Jahren gewidmet sind, gewiss gut zurechtgefunden. Denn alle drei Ausstellungsorte in Regensburg, in denen an den ersten und einzigen Kaiser aus Bayern erinnert wird, existierten bereits zu seinen Lebzeiten. Das sind die profanisierte Minoritenkirche, die Kirche St. Ulrich am Dom und der Domkreuzgang. Wann gibt es so etwas schon, dass eine Ausstellung über das Mittelalter just dort stattfindet, wo sich diese uns so fern erscheinende Zeit heute noch materialisiert?

So aber konnten die Ausstellungsmacher aus dem „Haus der bayerischen Geschichte“ ihre Schau über Ludwig den Bayern an Originalschauplätzen inszenieren. Der größere Teil findet sich zwischen den mächtigen Säulen der Minoritenkirche, aber wer einen noch haptischeren Eindruck vom Leben, vor allem aber vom Sterben in jener Zeit gewinnen will, der kann zwischen den uralten Grabsteinen des Kreuzgangs wandeln, wo ganz gewiss auch schon Ludwig spazierengegangen ist.

Dabei ist dieser Ludwig aus der Sicht der Historiker betrachtet keine ganz einfache Figur. Den Zeitumständen geschuldet, ist nicht einmal sein exaktes Geburtsjahr geklärt, und die Wissenschaft schwankt da um die Jahre 1282 oder 1286. Ebenso fraglich ist, ob sein kometenhafter Aufstieg tatsächlich von der angeblich so gewaltigen Schlacht bei Gammelsberg gegen seinen Habsburger Rivalen Friedrich geprägt ist, oder ob die Geschichtsschreiber dieses Scharmützel zu Ehren des späteren Kaisers nicht gewaltig übertrieben haben.

Ja, nicht einmal ein sicheres Abbild seiner Person ist vorhanden, denn alle seine steinernen Skulpturen wurden dem Zeitgeschmack entsprechend mit einer Adlernase versehen idealisiert. Die Ausstellung macht aus dieser Not eine Tugend: Auf fünf Ebenen sanft aufwärts schreitend erfährt man dort eben auch, was man nicht weiß. Was man aber weiß, macht diesen deutschen Kaiser zu einer durchaus schwierigen Persönlichkeit.

Als Zweitgeborener Herzogssohn hatte er eigentlich keine Chance auf eine große Machtentfaltung. Doch Ludwig gelang es, alle seine Widersacher innerhalb weniger Jahre aus dem Feld zu schlagen, und das mit zum Teil durchaus unfeinen – eben mittelalterlichen – Methoden. Sein älterer Bruder Rudolf durfte anfangs noch mitregieren, bevor Ludwig diesen verdrängte. Seinen Rivalen Friedrich schlug er auf dem Schlachtfeld. Die Krönung des Herzogs von Oberbayern zum Kaiser am 25. November 1314 erfolgte statt in Aachen in Rom, mit Unterstützung des Gegenpapstes Nikolaus V. und gegen den Willen des Papstes, der prompt seinen Bannfluch über ihn aussprach, der übrigens bis heute nicht widerrufen ist.

Der Kirchenbann und die, vorsichtig ausgedrückt, umstrittenen Umstände seiner Wahl scherten diesen Herrscher des Spätmittelalters nicht weiter. Mochten durch den Papst auch alle religiösen Dienste einschließlich der Beerdigungen auf den von ihm beherrschten Landen verboten sein – Ludwig setzte sich darüber hinweg. Er sammelte mit Geschick weitere Territorien von Holland über Tirol bis Brandenburg, war dabei ständig auf Achse – einen permanenten Herrschersitz gab es damals nicht – und löste in den von ihm regierten Städten einen frühen Bauboom und eine erste Art Industrialisierung aus, von dem die Geschlechtertürme in der Regensburger Innenstadt noch heute ein beeindruckendes Zeugnis ablegen.

Viel Tod

Und wenn sich auch kein sicheres Abbild seiner Person erhalten hat, so entstand doch ein Personenkult um diesen Ludwig, der sich in der Ausstellung widerspiegelt. Da glänzeWappenn die Wappenscheiben aus Kloster Seligenthal, versehen mit den Symbolen der Wittelsbacher: dem Löwen und den weiß-blauen Rauten. Eine pergamentene Urkunde von 1314 zeigt die Wahl von Ludwig dem Bayer an. Päpstliche Handschriften künden vom Streit zwischen Kaiser und Papst und kaiserliche Edikte verweisen auf die Macht des weltlichen Herrschers.

Vor allem aber ist es der Tod auf dem Schlachtfeld, der allgegenwärtig wird: Kettenhemden und ein Plattenrock, Beckenhaube, Topfhelm und Eisenhut zum Schutz des Kopfes, ein Dolch und Schwerter machen deutlich, dass Kriege, die damals noch in Ermangelung von Feuerwaffen geführt wurden, nicht weniger blutig verliefen.

Und dann ist da noch ein profanes Hühnerei. Es stammt zwar nicht aus Ludwigs Zeiten, ist aber immerhin rund 500 Jahre alt und wurde in der Dämmschicht eines Hauses in Kempten entdeckt – das wohl älteste Ei der Welt. Doch auch dieses Objekt dient der Illustration kriegerischer Handlungen, steht es doch für den berühmten Spruch Ludwigs, dessen Truppen nach der gewonnenen Schlacht von Mühldorf unter akutem Lebensmittelmangel litten, an seinen Kampfgefährten Schweppermann: „Jedem Mann ein Ei, dem frommen Schweppermann zwei.“

Wenn der Besucher der Schau, ermattet von all den seltenen und seltensten Stücken, die Minoritenkirche zu Regensburg verlässt, sollte er nicht gleich das nächste Brauhaus ansteuern, sondern St. Ulrich neben dem Dom einen Besuch abstatten. Manche Mittelalter-Historiker mögen dort die Nase rümpfen, denn hier kommt ein dreidimensionaler Film zur Aufführung, der die Geschichte Ludwigs und seiner Zeit so erklärt, dass auch blutige Laien einen Begriff davon bekommen. Wer danach endlich auch all den modernen Ausstellungsschnickschnack hinter sich lassen möchte, der oder die besuche den alten Kreuzgang.

Es bleibt am Ende dieses Ausstellungsmarathons nicht ganz klar, welche Bedeutung dieser Ludwig der Bayer eigentlich für die deutsche Geschichte hatte, wenn man einmal davon absieht, dass er ein Bayer war, was in Bayern schon an und für sich eine große Bedeutung hat. In jedem Fall aber vermittelt die Regensburger Ausstellung einen großartigen Einblick in das spätmittelalterliche Leben eines Herrschers und das seiner Untertanen.

Ludwigs kaiserliche Amtszeit währte über mehr als drei Jahrzehnte. Am 11. Oktober 1347 aber stürzte er bei einem Jagdausflug vom Pferd und verstarb. Damit endete auch die kurze Epoche bayerischer Herrlichkeit in deutschen Landen. Ein zweiter Versuch in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verlief ganz ähnlich: Am 3. Oktober 1988 verstarb Franz Josef Strauß nach einer Hirschjagd nahe Regensburg. Aber das ist eine andere Geschichte.

■ „Ludwig der Bayer. Wir sind Kaiser!“, Regensburg, Minoritenkirche, St. Ulrich und Domkreuzgang. Bis 2. November, Katalog 18 Euro