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Archiv-Artikel

Patriarch mit dem direktem Draht

Bei der norddeutschen Getränkemarkt-Kette Hol’ab soll ein Betriebsrat gegründet werden. Gewerkschaft und Beschäftigte berichten von massiven Behinderungen durch den Seniorchef, sein Sohn sagt dagegen Unterstützung für das Vorhaben zu

von Benno Schirrmeister

Sie haben Filialen in ganz Norddeutschland. Und längst zählt das Unternehmen Hol’ab bundesweit zu den großen seiner Branche. Doch die Getränkemarkt-Kette hat ganz klein angefangen. Und in der Selbstdarstellung legt man darauf wert: „Als 1978 der erste HOL’AB! in der Obernstraße in Achim eröffnete“, so hebt die Firmengeschichte an, da habe „Inhaber Bernhard Henze noch selbst bedient, beraten und Kisten getragen“. Ein echter Patron eben, der „immer ein freundliches Wort für die Kunden übrig“ hatte. Und einer der elf Premiumsponsoren von Werder Bremen, der sich gern im Kreise der Clubführung zeigt.

Darüber, wie der gute Herr Henze mit seinen Angestellten umgesprungen ist, weiß die Überlieferung nichts. Es gibt allerdings Gerüchte, nach denen er momentan den ganz direkten Draht zu den Beschäftigten sucht. Er toure durch die Filialen und schärfe ihnen ein, am 14. Januar bloß nicht nach Bremen zu fahren. Er soll ernsthafte Konsequenzen fürs Beschäftigungsverhältnis angedeutet haben. Ja, sogar das Schreckgespenst, er werde den ganzen Laden dicht machen und alle 800 Mitarbeiter entlassen habe er beschworen, der gute Herr Henze.

Und das alles nur, weil am 14. Januar die gesamte Belegschaft von drei Hol’ab-Mitarbeitern und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ins Bremer DGB-Haus eingeladen worden ist – zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl. Vater Henze aber scheint das als persönlichen Affront aufzufassen.

Wenigstens laut NGG. Gewerkschaftssekretär Dieter Nickel hat die Geschäftsführung deshalb in einem Brief darauf hingewiesen, dass alle, die das Vorhaben hintertreiben, damit rechnen müssen „bei der Staatsanwaltschaft angezeigt zu werden“: Schließlich steht die Behinderung von Betriebsratswahlen unter Strafe. Und laut NGG haben Marktleiter den Wahlaufruf diskret verschwinden lassen.

Vorher soll Henze senior „die ganze Sache“ noch als „Sauerei“ bezeichnet haben. Spätestens seit Eingang des NGG-Schreibens aber schweigt der Chef zu den Vorgängen. Dafür verweist sein Sohn Andreas derartige Berichte ins Reich der Fabel: „Wenn unsere Beschäftigten einen Betriebsrat gründen wollen“, sagt er der taz, „dann unterstützen wir das natürlich.“ Die Geschichte von der Schließungs-Drohung stimme „definitiv nicht“, sagt er und er möchte mal ganz gerne wissen, woher man denn solche Fehlinformationen habe?

Der Brief von der NGG sei jedenfalls „schon geschrieben gewesen, bevor die Einladungen zur Betriebsversammlung überhaupt bei den Marktleitern waren“. Völlig unmöglich also, dass Marktleiter sie zu diesem Zeitpunkt bereits vernichtet oder abgehängt hätten, wie die Gewerkschaft argwöhnt. Nickel gibt allerdings an, der Aufruf sei „schon am 29. Dezember als Vorab-Fax und als Brief rausgegangen“. Das Mahnschreiben an die Geschäftsführung datiert vom 5. Januar. Genug Zeit, um ein paar Zettel verschwinden zu lassen.

Betriebliche Mitbestimmung, das bestätigt eine Studie des Hannoveraner Ökonomen Uwe Jirjahn hat ein „nicht unerhebliches Potenzial zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“. Auch gebe es „einen statistisch signifikanten positiven Einfluss auf die Markteinführung neuer Produkte“. Allerdings: Das gilt nur für Unternehmen, die bestimmte Sozialstandards erfüllen. Und ob das bei Hol’ab der Fall ist, darf bezweifelt werden: Zwar sind laut Firmengeschichte „die Märkte schöner und moderner, die Sortimente breiter und tiefer“ geworden. Aber die Arbeitsbedingungen haben mit der Entwicklung nicht unbedingt Schritt gehalten.

So berichtet die Belegschaft von erheblichen Mehrbelastungen durchs neue Pfandgesetz, durch den Jahrhundertsommer mit Lieferengpässen und Leergut-Staus, und durch die Vervielfachung der Filialen – die durch einen nur sporadischen Personalzuwachs „nicht ausgeglichen“ würden. Mit dem Fall der Ladenschlussgesetze in Niedersachsen und Hamburg, zeichne sich eine weitere Verschärfung ab: Bis 22 Uhr, so die Pläne, soll künftig geöffnet sein. „Es gibt zwar eine Dienstanweisung die Überstunden abzubauen“, heißt es. Sie umzusetzen sei jedoch „unmöglich“.

Bei so dünner Personaldecke bemüht man sich natürlich, Krankheitstage zu vermeiden. Durch Vorsorge? Von wegen. In einem patriarchalisch geführten Unternehmen werden Angestellte dazu gedrängt, anstehende Operationen doch im Jahresurlaub durchführen zu lassen. Und sonst setzt man auf Vorbeugung nach Art des Hauses: Hol’ab-Mitarbeitern zufolge macht die Geschäftsleitung Vertragsabschlüsse davon abhängig, dass Stellenbewerber ihre Krankenakte offen legen. „Wir arbeiten gerne hier“, das hört man von den Angestellten trotzdem. „Aber nicht unter diesen Bedingungen.“