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Archiv-Artikel

Unkraut im Garten

Peter Rohwein, erfolgloser Trainer der deutschen Skispringer, glaubt immer noch an die Fähigkeiten seiner hinterherhüpfenden Athleten

AUS BISCHOFSHOFEN KATHRIN ZEILMANN

Nun also soll Georg Späth trainieren, um ein Joker für die WM zu werden. Ja, Peter Rohwein sagt wirklich, dass Späth, der vor der Tournee noch mangels Form ausgemustert worden ist, zu den Titelkämpfen im Februar so stark sein soll, um die ersehnte Mannschaftsmedaille mit zu erspringen. Seit Rohwein im Oktober 2004 überraschend vom Co- zum Cheftrainer der deutschen Skispringer befördert worden war, lebt er von diesem Prinzip Hoffnung. In Bischofshofen zum Abschluss der Vierschanzentournee war er nur mit drei Springern angetreten, von denen es Jörg Ritzerfeld nicht mal ins Finale schaffte.

Rohwein hat sich nach jedem Tournee-Springen geduldig erklärt. Stets sprach er davon, dass es weitere Schritte nach vorne gebe. Dass man im Training jetzt auf einem höheren Niveau springe und irgendwann auch diese Sprünge im Wettkampf zeigen werde. Und bei der WM im fernen Japan wolle er am Ziel Mannschaftsmedaille festhalten. „Wir brauchen eben noch einen starken vierten Mann“, seufzt selbst Michael Uhrmann, als Neunter im Gesamtklassement bester Deutscher. Michael Neumayer, der sich in den Vorwintern als mannschaftstauglich und routiniert erwiesen hatte, hat sich Anfang Dezember das Kreuzband gerissen.

Rohwein ist ja ein netter Mensch. Vielleicht ist aber genau das sein Problem. Vielleicht braucht ein mit einem ausgeprägten Phlegma behafteter Springer wie Späth gar keinen netten Coach. Späth ist bei der Tournee schon zweimal aufs Podium gesprungen, bei der Skiflug-WM 2004 hat er zur Halbzeit geführt und ist am Ende Vierter geworden. Er beherrscht also sein Metier, nur zeigt er es momentan nicht.

Es ließe sich hier trefflich über den Einfluss eines Cheftrainers diskutieren, wo doch in Deutschland die Springer auch eng mit den Übungsleitern am Stützpunkt zusammenarbeiten. Martin Schmitt zum Beispiel können Fortschritte bescheinigt werden, seit er unter Anleitung des Österreichers Martin Horngacher in Hinterzarten trainiert. Ein Chefcoach ist vor allem in Wettkampfsituationen gefragt. Mika Kojonkoski, Trainer der Norweger, beherrscht die Kunst der Auswahl von Spitzenspringern und der punktgenauen Motivation. Als sein Schützling Anders Jacobsen, der diesjährige Tournee-Sieger, zur Halbzeit des Spektakels schwächelte und Zweifel anmeldete, ob er, der ehemalige Hobby-Springer und Klempner, dem Druck gewachsen sei, bat Kojonkoski zu einem langen Gespräch. In Innsbruck gewann Jacobsen und setzte sich an die Spitze des Klassements.

Rohwein kann nichts dafür, dass sich der Verband in der Nachwuchsarbeit grobe Patzer geleistet hat und er nur ein Kleinstteam verwaltet. „Es war so, dass sicherlich Fehler gemacht worden sind. Jetzt fehlen die Nachwuchsleute, die man bräuchte, wenn ältere Athleten einen Durchhänger haben“, sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). In der Tat musste der außer Form geratene Späth gar nicht fürchten, dass ihm sein Startplatz im Weltcup von einer Nachwuchskraft streitig gemacht werden könnte. Die, die eigentlich dafür vorgesehen waren, mühen sich im Continental-Cup, wo ein 19. Rang am Sonntag die beste deutsche Platzierung war.

Nachwuchsarbeit im Spitzensport sei mit der Pflege eines Gartens vergleichbar: „Man braucht Geduld und muss viel Arbeit investieren“, sagt der österreichische Skisprungdirektor Toni Innauer. Der muss es wissen, gerade sprang sein Schützling Gregor Schlierenzauer, seit Sonntag 17, zu Gesamtrang zwei in der Tournee und zu zwei Tagessiegen. Im deutschen Garten wuchert offenbar, um im Bilde zu bleiben, das Unkraut oder es wächst gar nichts mehr, weil nicht gegossen und gedüngt worden ist. „Wir dachten, die Talente kommen von selbst“, räumt Rudi Tusch ein, sportlicher Leiter der Abteilung. Aber die Auftritte von Super-Hanni und Super-Martin allein konnten in den Neunzigerjahren und Anfang des Jahrtausends offenbar zu wenig Kinder animieren, sich Sprungski unterzuschnallen. Und wenn sie es taten, standen schon die Werber von der nordischen Kombination bereit, die ihnen auch noch das anschließende Langlaufen schmackhaft machten. Die Kombinierer haben keine Nachwuchssorgen und im Spitzenbereich eine erfolgreiche Athletenauswahl.