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Archiv-Artikel

Mehr US-Soldaten, neue Ziele für den Irak

Neue US-Irakstrategie in der Diskussion: Bush bekommt keinen Blankoscheck mehr, sagt Demokratin Nancy Pelosi

BERLIN taz ■ Wenige Tage ehe US-Präsident George W. Bush öffentlich seine neue Strategie für den Irak bekannt geben will, ist die Diskussion darüber in den USA voll entbrannt. Einem Bericht der New York Times zufolge will Bush nicht nur 20.000 zusätzliche US-Soldaten im Irak einsetzen. Auch die irakische Regierung soll auf der politischen Ebene neue Ziele gesteckt bekommen, an deren Erfüllung künftige Zusammenarbeit geknüpft sein soll. So soll Irak etwa zügig Regionalwahlen abhalten, um so eine größere Beteiligung der Sunniten am politischen Prozess zu sichern. Auch soll schnell das Gesetz über die Verteilung der Erdöleinkünfte zwischen Zentralregierung und Regionen beschlossen werden, um den Sunniten die Angst zu nehmen, bei der Verteilung der irakischen Reichtümer leer auszugehen. Die Wiederaufbauhilfen sollen künftig besser auf die verschiedenen Landesteile und Volksgruppen verteilt werden. Allerdings sind solche Vereinbarungen schon in der Vergangenheit getroffen, aber nie eingehalten worden.

Mit den zusätzlichen Truppen wollen die USA vor allem in Bagdad schnelle Erfolge gegen die Aufständischen erzielen. Die irakische Hauptstadt gilt längst als Schlüssel des Konflikts.

Während US-Einsätze gegen Hochburgen des Aufstands im vergangenen Jahr im Rahmen der Operation „Together Forward“ daran scheiterten, dass die US-Truppen danach wieder abzogen und die irakischen Sicherheitskräfte keine dauerhafte Kontrolle aufbauen konnten, sollen die US-Streitkräfte jetzt auch diesen Teil übernehmen.

Außerdem soll, im Unterschied zu früher, die Sicherheit der irakischen Bevölkerung vor Anschlägen und ethnischer Gewalt stärker im Vordergrund stehen. Im vergangenen Jahr 2006, berichtet die Washington Post unter Berufung auf Zahlen des irakischen Gesundheitsministeriums, seien rund 23.000 Iraker der Gewalt zum Opfer gefallen, rund 17.000 allein in der zweiten Jahreshälfte.

In Washington hat die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, inzwischen angekündigt, dem Präsidenten stärker als bisher auf den Zahn zu fühlen. Wenn der Präsident mehr Truppen entsenden wolle, „muss er das rechtfertigen“, sagte Pelosi im Fernsehsender CBS. „Und das ist etwas Neues für ihn, denn bis jetzt hat ihm der republikanische Kongress stets einen Blankoscheck ausgestellt, ohne Überprüfung, ohne Standards, ohne Bedingungen“, sagte Pelosi weiter. Der demokratische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Joe Biden, wies allerdings darauf hin, dass der Kongress Bush kaum daran hindern könne, zu tun, was er für richtig halte: „Er hat das verfassungsmäßige Recht, die Truppen für immer dort zu lassen, wenn er das will“, sagte Biden, der nebenbei noch seine Bewerbung für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2008 ankündigte, im Fernsehsender NBC.

General Raymond T. Odierno, die militärische Nummer zwei im Irak, sagte am Sonntag, selbst mit neuen Truppen werde es noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die USA im Irakkrieg klar die Oberhand gewinnen.

BERND PICKERT