: Auch in Berlin wächst die Wut auf Mubarak
PROTEST Ägypter und Sympathisanten fordern von der Bundesregierung klare Worte und Solidarität
„Deutschland, die ägyptische Bevölkerung braucht deine Hilfe“ steht auf einem Transparent, das ein junger Mann wortlos hochhält. Die Schilder der Protestler vor dem Auswärtigen Amt in Mitte sind auf Arabisch, Deutsch und Englisch. An Wäscheleinen, gespannt zwischen Bäumen und Straßenlaternen, hängen Poster, die Bilder von blutig geschlagenen Demonstranten und Mubarak-Karikaturen zeigen.
Rund 80 Menschen haben sich am Dienstagnachmittag versammelt. Sie fordern von der deutschen Regierung eine klare Position zur Lage in Ägypten – auf Deutsch: die Aufforderung an Staatspräsident Husni Mubarak zurückzutreten. Am Mittwoch versammeln sich ebenso viele Ägypter vor dem Brandenburger Tor.
Auffallend am Dienstag ist die Mischung der Protestierenden. Alle Altersklassen und Menschen mit den unterschiedlichsten politischen und religiösen Ansichten sind vertreten. So erzählt Midhat Awad, ein Mitglied der koptischen Gemeinde, dass er überwältigt sei von der Solidarität. Seine Familie in Kairo berichte ihm täglich, dass sie sich gemeinsam mit den Muslimen gegen Plünderer wehren. „Ich hatte befürchtet, dass Kirchen brennen werden. Jetzt habe ich den Eindruck, dass die Feinseligkeiten zwischen Kopten und Muslimen all die Jahre von der Regierung geschürt wurden“, sagt Awad.
Kurz nach 16 Uhr beginnt die Menge im Chor Parolen zu rufen, angeführt von einem 18-Jährigen. Mit seiner Reibeisenstimme schreit der deutschägyptische Teenager: „Eins, zwei, wir sind frei – stoppt die Tyrannei – lasst unsere Brüder frei.“ Der 26-jährige Student Tobias Mörike findet, dass die Weltöffentlichkeit sich viel zu sehr mit der Frage der vermeintlich islamischen Bedrohung beschäftigt und dabei die Jugendlichen aus dem Blick verliert, die unabhängig von Partei und Religion den Aufstand in Gang gebracht haben. Zwei Stunden rufen die Protestierenden Parolen, halten Ansprachen und zünden Kerzen an.
Am Mittwoch betonen die Teilnehmer, dass sie sich mit der Rede von Mubarak nicht zufrieden geben werden. Dabei hatte der Herrscher angekündigt, bei einer Wahl nicht mehr anzutreten. Die Menge fordert weiter den Rücktritt des Autokraten.
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