piwik no script img

Archiv-Artikel

Kicker statt Treppenlift

Das Fernsehmagazin „Prisma“ wird 30 Jahre alt. Seine Auflage steht und fällt mit den Regional-Zeitungen, denen es wöchentlich beiliegt. Doch das „Multi-Themen-Supplement“ hält sich wacker

Bei den jungen Lesern liegt „Prisma“ noch vor „Bravo“ und „Neon“ – zusammengerechnet Mit „dem Neuesten von Heinz Erhardt“ warb das Magazin in den ersten Jahren

AUS KÖLN MICHAEL AUST

Ein Klischee vorweg: Wer die Redaktionsräume der Prisma besuchen will, muss keinen Treppenlift benutzen. Ein Aufzug mit Bullaugen bringt den Besucher in die vierte Etage des Rundschau-Hauses in der Kölner Stolkstraße, in der neben der Prisma auch die Kölnische Rundschau und eine Dependance der Deutschen Presseagentur residieren. Im vierten Stock gelangt man durch eine Glastür zu einem Kickertisch. „Der ist das Wichtigste in unserer Redaktion“, sagt Detlef Hartlap, und der Chefredakteur der Prisma hat wahrscheinlich Recht: Mit sportlichen 30 Jahren braucht eine Zeitschrift viel eher einen Kicker als einen Treppenlift.

Die Prisma, die als wöchentliches Magazin 62 Regionalzeitungen beiliegt, feiert dieser Tage ihren 30. Geburtstag. Auf dem Titel der aktuellen Ausgabe prangt prominent eine gelbe „30“, daneben, auf der Umschlagseite und auf fünf anderen Seiten im Heft finden sich Anzeigen für – Treppenlifte. „Manch einer denkt wegen einer ganz bestimmten Anzeigenstruktur, die Prisma sei eher etwas für ältere Leute“, sagt Chefredakteur Hartlap. „Aber unsere Leserschaft verteilt sich sehr gleichmäßig von jung bis alt.“ Tatsächlich bescheinigen Marktforschungen dem Magazin auch in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen 1,5 Millionen LeserInnen. Das ist mehr als Bravo und Neon zusammen.

Es sind solche Zahlen, die an dem kleinen Magazin beeindrucken: Der neuesten Medienanalyse zufolge lesen wöchentlich 8,2 Millionen Menschen die 4,6 Millionen Exemplare der Prisma; das Verbreitungsgebiet beginnt in Aachen und endet in Frankfurt an der Oder. Für die unterschiedlichen Regionen produziert die Redaktion drei verschiedene Ausgaben: eine für das Rheinland, eine für Westfalen und eine für Ostdeutschland. „Für die Auflage können wir nichts“, sagt Hartlap. Sinkende Auflage bei den Zeitungen bedeute weniger Exemplare für die Beilage. In den vergangenen fünf Jahren gingen der Prisma jährlich 100.000 Leser von Bord. „Daran sieht man, was den Zeitungen seitdem an Lesern abhandengekommen ist. Eine beängstigende Entwicklung.“

Trotz Leserschwund geht es der Prisma wirtschaftlich gut wie nie: 3,5 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete das Magazin, das in Köln von gerade mal fünf festangestellten Redakteuren produziert wird, im Rekordjahr 2005. Die Abrechnung 2006 verspricht ähnliche Zahlen. Getragen wird die Prisma von 60 Verlagen, deren Zeitungen sie beiliegt. Geschäftsführend sind die Kölner Mediengruppe DuMont Schauberg (u. a. Frankfurter Rundschau, Kölner Stadt-Anzeiger) und der Verlag der Rheinischen Post, aber die Gewinne werden anteilsmäßig auf alle beteiligten Verlage aufgeteilt. Erlöse macht das Magazin allein durch Anzeigen, die Zeitungen selbst zahlen nichts dafür, dass das Magazin ihrer Wochenendausgabe beiliegt. Zunächst wurde Prisma nur im Rheinland und in Dortmund vertrieben, später kamen auch Westfalen, nach der Wende auch Ostdeutschland und Teile von Niedersachsen dazu.

Doch zurück ins Rheinland. Der Schreibtisch von Chefredakteur Hartlap steht in dem Büro, das am weitesten vom Kickertisch entfernt ist. Auf seinem Tisch liegt der aktuelle Kicker, auf einem Regal stapeln sich alte Prisma-Ausgaben. Auch die erste vom 8. Januar 1977 ist dabei, und wer darin blättert, kann wehmütig werden: Ohne die Privatsender füllte das damals noch überschaubare Fernsehprogramm nur zwei Seiten pro Tag, es gab Rubriken wie „Das Neueste von Heinz Erhardt“, Fernseh-Features wie „Zum Blauen Bock – auf Mallorca vorgeschunkelt“ und einen „großen Farbbericht“ über eine japanische „Geisha-Schule“.

Heute ist außer dem abgeschlossenen Kurzkrimi und dem Fernsehprogramm als Herzstück in der Prisma kaum noch etwas wie vor dreißig Jahren. Das Programm ist umfangreicher geworden, aber auch die inhaltliche Ausrichtung. Um sich von Fernsehzeitschriften abzusetzen, musste die Prisma von der reinen TV-Beilage zum „Multi-Themen-Supplement“ werden, erklärt Hartlap. „Das ist immer noch ein Experiment.“ Eines, das er seit seinem Amtsantritt 1993 mit immer neuen Themenmischungen von der Ausstellungsrezension bis zur Gesundheitsgeschichte unternimmt.

Im Copytest, einer LeserInnenbefragung, bezeichneten 1993 nur 3 Prozent der Befragten die Prisma als „unterhaltendes Magazin“, über 90 Prozent sahen in ihr eine reine „Fernsehbeilage“. Dieses Image hat die Prisma bis heute zwar nicht verloren – noch immer bezeichnen 70 Prozent der LeserInnen das Magazin als „Fernsehbeilage“, doch immerhin 30 Prozent sehen in ihr inzwischen vor allem ein „unterhaltendes Magazin“.

Zur Geburtstagsparty haben die Prisma-Macher am 30. März ins Phantasialand in Brühl geladen. LeserInnen und Prominente werden dabei sein, auch der Medienpreis „Prix Medial“ wird verliehen. „Das Phantasialand ist ein Erlebnisbereich sondergleichen – und sehr populär“, sagt Hartlapp. Wer genau hinhört, hört den Chefredakteur hier von seiner eigenen Zeitschrift schwärmen: Sein Phantasialand entsteht schließlich jede Woche neu auf Papier. Irgendwo zwischen Treppenlift und Kochrezept.