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Archiv-Artikel

Demnächst alles in Butter

Ulrich Khuon geht vom Thalia Theater Hamburg als Intendant ans Deutsche Theater Berlin – und erweckt große Hoffnungen

Es fällt ja schwer, es zuzugeben: Die erste Personalentscheidung, die Klaus Wowereit, Berlins Bürgermeister und seit kurzem selbsternannter Kulturchef der Hauptstadt, gestern bekannt gab, trifft ins Schwarze: Ulrich Khuon wird Intendant des Deutschen Theaters (ab der Spielzeit 2009/10). Schwer fällt es, Wowereit dafür zu loben, weil es wie ein Nachtreten gegen Thomas Flierl wirkt, den ehemaligen Kultursenator, der als letzte Amtshandlung einen Vorvertrag mit einem anderem Kandidaten schloss, dem Dramaturgen Thomas Oberender, übrigens mit Einverständnis des Bürgermeisters. Überraschend ist diese Wendung nicht nur deshalb, weil Ulrich Khuon, bisher Intendant am Thalia Theater in Hamburg, dort vertraglich bis 2010 gebunden ist, sondern auch, weil er selbst zu der Expertenrunde gehörte, die berufen war, einen guten Kopf zu finden, um frischen konzeptuellen Wind in die Leitung des etwas unter dem Ruf eines Gemischtwarenladens leidenden DT in Berlin zu bringen. Die hatte Oberender vorgeschlagen, der nun wie ein unglücklicher Joker in einem schwer durchschaubaren Spiel erscheint.

Dennoch kann man über die Entscheidung nur froh sein, denn Ulrich Khuon scheint genau der Richtige, das Beste aus dem DT zu machen. Das lässt sich so leicht behaupten, weil dort, in Berlin, seit der Inszenierung der „Emilia Galotti“ von Michael Thalheimer (2001) oft jene Regisseure und Schauspieler eine neue Leidenschaft für das Theater zu entfachen wussten, die aus Khuons Mannschaft in Hamburg kamen. Dazu gehört Dimiter Gotscheff, dem mit einem über lange Zeit gereiften Begriff von Theater spannende Zugriffe auf ältere Theaterstoffe gelangen; dazu gehörte Armin Petras, der mit seinen Ost-West-Stoffen einen blinden Fleck deutscher Geschichte bearbeitet und in Berlin seit 2006 Intendant am Gorki-Theater ist. Als zwei befreundete Häuser tauschten das Thalia und das DT auch viele Gastspiele aus. Khuons Wechsel von Hamburg nach Berlin steht also im Zeichen einer Kontinuität, die ihn auszeichnet: Er hält seinen Künstlern den Treue. Für das DT ist das eine entscheidende Qualität, weil gerade das Ensemble zu fürchten begann, unter einem neuen Intendanten ihren Regiestar Thalheimer zu verlieren. Unter Khuon ist seine Weiterarbeit nicht gefährdet.

Was dem DT bisher fehlte, war ein Konzept, das noch einmal an die Größe seiner historischen Rollen im Berlin der Weimarer Republik und in der Hauptstadt der DDR anknüpfen konnte. Auch der jüngste Coup des bisherigen Intendanten Bernd Wilms, die Neueröffnung einer dritten Spielstätte „box + bar“, ließ genau das wieder vermissen. Da kann man von Khuon mehr erwarten. Am Thalia hat der heute 55-Jährige immerhin mit den Autorentheatertagen, der Eröffnung der Spielstätte Gaußstraße und dem Engagement von jungen RegisseurInnen wie Jorinde Dröse, Christine Eder und David Bösch eine gute Hand für den Theaternachwuchs bewiesen.

Dass er auf diesem Weg ein bildungsbürgerliches Publikum mitnahm – oder vielleicht sollte man besser sagen, für ein bildungsbürgerlich nachwachsendes Publikum sorgte –, ist auch in Berlin willkommen. Mit 273.000 Besuchern stand sein Theater 2006 an der Spitze deutscher Bühnen.

Allein, bis das alles zu wirken beginnt, dauert. Wilms verabschiedet sich mit der Spielzeit 2007/08, dann übernimmt der Chefdramaturg Oliver Reese vorübergehend die Leitung. Ob die Marken DT in Berlin und Thalia in Hamburg bis 2009/10 jenes Niveau halten können, das die jetzige Entscheidung so zuversichtlich beurteilen lässt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob beide Städte ihre Theater weiter mit Sparauflagen in Atemnot halten.

KATRIN BETTINA MÜLLER